William N. Copley
20 Jan - 03 Mar 2012
William N. Copley
DEPT OF JSTCE, 23c, 1980
Charcoal on paper
60,7 x 45,5 cm
(part of a convolute of altogether six drawings)
DEPT OF JSTCE, 23c, 1980
Charcoal on paper
60,7 x 45,5 cm
(part of a convolute of altogether six drawings)
WILLIAM N. COPLEY
Reflection on a Past Life
20 January – 3 March, 2012
CPLY
Zeichnungen in Uniform
William N. Copley alias CPLY schuf diese großformatigen, souveränen Kohlezeichnungen im Jahr 1980 und schenkte sie dem Kurator, Verleger und Reiseschriftsteller Johannes Gachnang, der damals noch Direktor der Kunsthalle Bern war und gerade eine wichtige Retrospektive von CPLY auf den Weg gebracht hatte, die außer in Bern auch noch im Centre Pompidou in Paris, dem Van Abbemuseum Eindhoven und dem Kunstverein Karlsruhe gezeigt wurde.
Die Blätter markierte er mit einem einfachen Trick als zusammengehörenden Satz, indem er sie als überdimensionierte Briefmarken anlegte, mit runden Zacken und kruden Nennwerten. Mit selbstsicherem Strich stellte er für diesen Satz einige der wesentlichen Eckpunkte seiner persönlichen Ikonographie zusammen, in deren Zentrum die erotischen Wirrungen und Weiterungen der Beziehung zwischen Mann und Frau (geschildert aus der Sicht des immer suchenden, teils suchenden, teils findenden Mannes, der als alter ego des Malers gesehen werden muss, aber auch anderen als Rollenmodell dienen könnte).
In der Welt von CPLY gibt es feste Rollen und Abläufe. Frauen sind entweder nackt oder tragen die Uniformen ihrer Verführungskraft, Männer tragen Anzug und Melone oder berufsständische Uniformen wie der Pfarrer neben der Guillotine oder der Polizist (der in diesem Zeichnungssatz allerdings nicht auftaucht).
Diese Gruppe von Zeichnung ist durch ihre Klassifizierung als Briefmarke gewissermaßen auch „uniformiert“ und passt deshalb auch sehr gut in die Bildwelt des Künstlers hinein. Die Frau unter der Laterne auf der Zeichnung mit dem Nennwert von 11 ct illustriert einen Aphorismus des von Copley verehrten amerikanischen Dichters Robert W. Service, der besonders das Leben in den Goldgräberstädten am Klondike River schilderte, in seiner Universalität aber auch für diese Pariser Strassenszene herangezogen werden kann: das Kind hat seine Mutter zur Arbeit gedrängt: „Mother there’s nothing more to eat, why don’t you go out on the street?“
Auf drei weiteren Zeichnungen sehen wir ein burleskes Theater, den Mann beim Betreten einer Bar (es ist „Beer Week“, schreibt der Künstler), und schließlich zusammen mit einer Frau (man muss an einen Spruch aus Copleys Notes on a Project for a Dictionary of Ridiculous Images von 1972 denken: „I’ll only put it in a little bit.“). Der Pfarrer mit der Guillotine steht für die Strafe, die auch bei CPLY immer auf die Sünde folgt. Die Strafe hat keinen Nennwert. CPLY wusste, dass jeder Maler einige Motive „besetzen“ und zu den eigenen machen muss, um identifizierbar zu sein, und für ihn war das neben Melone, Regenschirm und Fischgrätanzug für den Mann und Spitzendessous für die Frau eben auch die Guillotine: „Let Warhol have his shoes and his electric chair, Picabia and Kafka divine machines. Let me have my grand piano and my guillotine,” lautet einer seiner populärsten Aphorismen.
CPLY entfaltet eine reiche Bildwelt voller anzüglicher Anspielungen – WRSES SHW verweist gleichzeitig auf horses und whores, und seine latent machohafte Sicht auf die Frauenbefreiung ist in der heutigen Zeit sicher auch etwas anachronistisch, aber mit seinem Sinn für doppelbödigen Humor kommt er damit immer noch durch. Diese formal so naiv erscheinen Zeichnungen verlangen nach geschulten Betrachtern, die versiert in der Kunst und belesen sein sollten. Johannes Gachnang hat das immer verstanden, und deshalb wählte er zusammen mit dem Künstler diese Blätter aus, um die erste deutsche Ausgabe von William N. Copleys Portrait des Künstlers als junger Händler (1990) zu illustrieren, einem Bericht über seine Zeit als Galerist in Beverly Hills in den Jahren 1947/48, in der die Weichen für seine gesamte Karriere in der Kunstwelt gestellt wurden.
Der trockene Humor dieses Textes entspricht dem Geist dieser Zeichnungen vollkommen. Sie gehören zusammen, und da das Buch antiquarisch greifbar ist, wäre es für den Sammler ein Leichtes, diese wundervoll leichten Kohlezeichnungen mit einem mittelschweren, aber sehr unterhaltsamen Buch zu ergänzen.
Das Vergnügen an den Zeichnungen wird sich mit der Lektüre vervielfachen.
Kay Heymer
Reflection on a Past Life
20 January – 3 March, 2012
CPLY
Zeichnungen in Uniform
William N. Copley alias CPLY schuf diese großformatigen, souveränen Kohlezeichnungen im Jahr 1980 und schenkte sie dem Kurator, Verleger und Reiseschriftsteller Johannes Gachnang, der damals noch Direktor der Kunsthalle Bern war und gerade eine wichtige Retrospektive von CPLY auf den Weg gebracht hatte, die außer in Bern auch noch im Centre Pompidou in Paris, dem Van Abbemuseum Eindhoven und dem Kunstverein Karlsruhe gezeigt wurde.
Die Blätter markierte er mit einem einfachen Trick als zusammengehörenden Satz, indem er sie als überdimensionierte Briefmarken anlegte, mit runden Zacken und kruden Nennwerten. Mit selbstsicherem Strich stellte er für diesen Satz einige der wesentlichen Eckpunkte seiner persönlichen Ikonographie zusammen, in deren Zentrum die erotischen Wirrungen und Weiterungen der Beziehung zwischen Mann und Frau (geschildert aus der Sicht des immer suchenden, teils suchenden, teils findenden Mannes, der als alter ego des Malers gesehen werden muss, aber auch anderen als Rollenmodell dienen könnte).
In der Welt von CPLY gibt es feste Rollen und Abläufe. Frauen sind entweder nackt oder tragen die Uniformen ihrer Verführungskraft, Männer tragen Anzug und Melone oder berufsständische Uniformen wie der Pfarrer neben der Guillotine oder der Polizist (der in diesem Zeichnungssatz allerdings nicht auftaucht).
Diese Gruppe von Zeichnung ist durch ihre Klassifizierung als Briefmarke gewissermaßen auch „uniformiert“ und passt deshalb auch sehr gut in die Bildwelt des Künstlers hinein. Die Frau unter der Laterne auf der Zeichnung mit dem Nennwert von 11 ct illustriert einen Aphorismus des von Copley verehrten amerikanischen Dichters Robert W. Service, der besonders das Leben in den Goldgräberstädten am Klondike River schilderte, in seiner Universalität aber auch für diese Pariser Strassenszene herangezogen werden kann: das Kind hat seine Mutter zur Arbeit gedrängt: „Mother there’s nothing more to eat, why don’t you go out on the street?“
Auf drei weiteren Zeichnungen sehen wir ein burleskes Theater, den Mann beim Betreten einer Bar (es ist „Beer Week“, schreibt der Künstler), und schließlich zusammen mit einer Frau (man muss an einen Spruch aus Copleys Notes on a Project for a Dictionary of Ridiculous Images von 1972 denken: „I’ll only put it in a little bit.“). Der Pfarrer mit der Guillotine steht für die Strafe, die auch bei CPLY immer auf die Sünde folgt. Die Strafe hat keinen Nennwert. CPLY wusste, dass jeder Maler einige Motive „besetzen“ und zu den eigenen machen muss, um identifizierbar zu sein, und für ihn war das neben Melone, Regenschirm und Fischgrätanzug für den Mann und Spitzendessous für die Frau eben auch die Guillotine: „Let Warhol have his shoes and his electric chair, Picabia and Kafka divine machines. Let me have my grand piano and my guillotine,” lautet einer seiner populärsten Aphorismen.
CPLY entfaltet eine reiche Bildwelt voller anzüglicher Anspielungen – WRSES SHW verweist gleichzeitig auf horses und whores, und seine latent machohafte Sicht auf die Frauenbefreiung ist in der heutigen Zeit sicher auch etwas anachronistisch, aber mit seinem Sinn für doppelbödigen Humor kommt er damit immer noch durch. Diese formal so naiv erscheinen Zeichnungen verlangen nach geschulten Betrachtern, die versiert in der Kunst und belesen sein sollten. Johannes Gachnang hat das immer verstanden, und deshalb wählte er zusammen mit dem Künstler diese Blätter aus, um die erste deutsche Ausgabe von William N. Copleys Portrait des Künstlers als junger Händler (1990) zu illustrieren, einem Bericht über seine Zeit als Galerist in Beverly Hills in den Jahren 1947/48, in der die Weichen für seine gesamte Karriere in der Kunstwelt gestellt wurden.
Der trockene Humor dieses Textes entspricht dem Geist dieser Zeichnungen vollkommen. Sie gehören zusammen, und da das Buch antiquarisch greifbar ist, wäre es für den Sammler ein Leichtes, diese wundervoll leichten Kohlezeichnungen mit einem mittelschweren, aber sehr unterhaltsamen Buch zu ergänzen.
Das Vergnügen an den Zeichnungen wird sich mit der Lektüre vervielfachen.
Kay Heymer