Mercedes-Benz Contemporary

Conceptual and Applied III: Surfaces and Pattern

04 Apr - 02 Nov 2014

Luca Trevisani, Susan Hefuna
Helga Philipp, George Nelson
Oskar Schmidt, Gio Ponti, Eero Aarnio, Tula Plumi, Gio Ponti
John M Armleder, Egon Eiermann, Eero Aarnio, Henrik Olesen, Tapio Wirkkala
John M Armleder, Georg Winter, Alicja Kwade
Oskar Schmidt, Georg Winter
Lina Bo Bardi
Carmelo Tedeschi
George Nelson, Benni Efrat, Helga Philipp, Natalia Czech, Sol LeWitt
Luca Trevisani, Natalia Czech
CONCEPTUAL AND APPLIED III:
SURFACES AND PATTERN
4 April - 2 November 2014

Contemporary art in dialogue with 20th century architecture and design

Over the last ten years, the Daimler Art Collection has developed a focal point in the field of constructive, conceptual and minimalistic tendencies from the 1920s to the present day. A particular interest was taken here in artists who have worked on the borders between free and applied disciplines.

'Minimalism and Applied I’ (2007) introduced fine artists who work within the transition to architecture, product and graphic design. In contrast with this, the second part of the series focuses on a dialogue between outstanding early exponents of architecture and furniture design with international contemporary art.

The third part of the exhibition series is presenting artists and designers with aesthetic concepts in the border area of art and design with a specific focus on surfaces, materials, and pattern.

Artists:
Helga Philipp (A), Benni Efrat (IL), Sol LeWitt (USA), Natalie Czech (GER), George Nelson (USA), Luca Trevisani (I), Mathieu Matégot (HU), Angelo Mangiarotti (I), Tapio Wirkkala (FI), Iman Issa (EG), Oskar Schmidt (D), Tula Plumi (GR), Haris Epaminonda (CY), Gio Ponti (I) , Patrick Fabian Pannetta (GER), Carmelo Tedeschi (I), Julian Opie (GB), Georg Winter (GER)

Curator: Renate Wiehager
Co-Curator: Luca Trevisani

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Die Ausstellung zeigt Dialoge zeitgenössischer Künstler/innen mit Design und Architektur des 20. Jahrhunderts. Die Daimler Art Collection hat in den vergangenen zehn Jahren einen Schwerpunkt entwickelt im Bereich konstruktiver, konzeptueller und minimalistischer Tendenzen von den 1920er Jahren bis heute. Ein besonderes Interesse galt in diesem Kontext Künstlern/innen, die im Grenzbereich freier und angewandter Disziplinen gearbeitet haben. ›Minimalism and Applied I‹ (2007) stellte bildende Künstler/innen vor, die im Übergang zu Architektur, Produkt- und Graphikdesign arbeiten. Demgegenüber fokussierte Teil II der Reihe (2010) auf einen Dialog herausragender früher Vertreter aus Architektur und Möbeldesign mit internationaler Gegenwartskunst.

›Minimalism and Applied I‹ (2007) stellte bildende Künstler/innen vor, die im Übergang zu Architektur, Produkt- und Graphikdesign arbeiten. Demgegenüber fokussierte Teil II der Reihe (2010) auf einen Dialog herausragender früher Vertreter aus Architektur und Möbeldesign mit internationaler Gegenwartskunst.

Der Schwerpunkte des dritten Teils liegt bei zeitgenössischen künstlerischen Konzepten im Grenzbereich Kunst/Design mit einem Fokus auf Oberflächen, Materialien und Muster.

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Übersetzung, Enthierarchisierung, Transcodierung

Übersetzung, Enthierarchisierung, Transcodierung, Transgression / das Flüssige, Variable, Diverse / die Wanderung von Formen durch variierende Kontexte / Zirkulation von Ideen und Konzepten – das sind Schlüsselbegriffe in der Diskussion nicht nur der zeitgenössischen Kunst, sondern auch im Horizont neuer Entwicklungen in Architektur, Design, Literatur, Theater. Damit verbunden sind ein neues Verständnis von Materialität und Prozess, ebenso aber auch die entschiedene Enthierarchisierung von Kunst, Produktdesign, Handwerk. Diese Einebnung der Hierarchien als zentrales Moment der aktuellen Kunst betrifft weiter das mögliche Durchdeklinieren einer Thematik durch unterschiedliche künstlerische Medien, die Spiegelung individueller Findungen in den Themen parallel arbeitender Künstler/innen und in den Werken von Vorläufern aus diversen Disziplinen.

Weitere aktuelle Phänomene der internationalen zeitgenössischen Kunst sind mit den Begriffen der ›Transcodierung‹ und der ›Übersetzung‹ zu umschreiben. Das heißt, dass viele Künstler/innen heute Sachverhalte und Sinnzusammenhänge aus ihren gegebenen – kulturell, national, politisch bestimmten – Codierungen herauslösen, Themen reproduzieren, an neue Parameter anpassen und auf diese Weise Inhalte und Intentionen ihrer Arbeit gleichsam zwischen verschiedenen Sprachen und Kontexten ›zirkulieren‹ lassen. Das ist einerseits ein kritischer wie selbstkritischer Akt, das Verfahren bringt anderseits aber das Zugeständnis zum Ausdruck, dass die Methode der ›Übersetzung‹ das künstlerische Werk nicht als konstant, sondern als ergebnisoffenen Prozess mit einem möglichen undefinierbaren ›Rest‹ akzeptiert.

Inwiefern ist der Begriff der ›Übersetzung‹ als zentrale Kategorie unserer Ausstellung erfahrbar? Für viele der beteiligten Vertreter aus Kunst, Architektur, Design gilt, dass ihre Themen und Methoden während des Arbeitsprozesses graduelle Modifikationen und Translationen erleben: die Methode selbst wird zu einer transitorischen Phase, welche ihren ersten Ausdruck in einer skulpturalen Form finden mag, um in nächsten Schritten, auf dem Wege der Fotografie, Kopie, Versprachlichung, materiellen Destruktion etc. einen Prozess der Umdeutung zu erfahren. Dies zeigt sich in organisch geformten Möbelobjekten (Philipp, Bo Bardi), mäandernden Textbildern (Czech), abstrakt-ornamentalen Raumstrukturen (Trevisani), in der ›Relektüre‹ und im ›Transport‹ von Ismen/Techniken/Stilen durch divergierende Kontexte (John M Armleder), mit am Körper tragbaren, modischen Accessoires (Tedeschi) oder mit temporär und performativ einzusetzenden Aggressionsobjekten (Winter). Der Transfer von Ideen, Materialien, Geschichten zwischen divergierenden ›Ordnungen‹ und ›Codes‹ provoziert immer auch Momente der Dekonstruktion oder des ›Chaos‹ bezogen auf benennbare und fassbare Sinnhorizonte.

Lina Bo Bardi 1914 in Rom geborene Architektin, Bühnenbildnerin, Redakteurin, Illustratorin, Möbeldesignerin, Museumplanerin und Kuratorin von Ausstellungen für Kunst, Kunsthandwerk und deren vielfältige Überschneidungen, wird derzeit als eine der führenden visionären Praktikerinnen einer gelebten Einheit von Kunst, Kultur und Gesellschaft im 20. Jahrhundert wieder entdeckt. Lina Bo Bardi übersiedelte 1946 nach São Paulo, ihr gelang es, die Wurzeln der brasilianischen Kultur in die Sprache der Moderne zu übersetzen – die Hierarchien zwischen Kunst und Handwerk überwindend, die Disziplinen überschreitend, immer ausgerichtet auf das visionäre Ziel, den Menschen ihrer Zeit ihre individuellen Potentiale aufzuzeigen und damit neue Räume von Erfahrung, Erkenntnis und gesellschaftlicher Verantwortung zu eröffnen.

Das visionäre Potential im Werk des Architekten und Möbeldesigners Egon Eiermann mag man vor allem in seinen transparenten, auf Materialgerechtigkeit und urbane / naturhafte Integration hin konzipierten Bauten der 1950er bis 1970er Jahre sehen, ebenso aber in seinen praktikablen, organisch gestalten und auf Serienproduktion hin ausgelegten Möbelentwürfen. Eiermann gelang das Unvermutete: die reduktive Ästhetik stringenter Minimalisierung mit dem belebenden Moment von Gestalthaftigkeit und Ornament zu verbinden, dabei stets ausgerichtet an einem klaren gesellschaftlichen Auftrag: Dem Heutigen zu dienen und dem Menschen von heute zu dienen, wer das überhaupt schafft für die Zeit, in der er lebt, hat so etwas unerhört Großes getan, dass er überhaupt nicht dazu kommt, an die Geschichte dieser Dinge zu denken in der Zukunft.«

»Für Carmelo Tedeschis Objekte, die sich im künstlerischen Prozess zu Skulpturen, aber auch zu tragbaren Armbändern entwickeln können, bestimmen Kontext und Publikum den Diskurs über die Deutung der Arbeiten, welchen Nutzen sie erfahren und wie sie rezipiert werden. Dabei behaupten alle seine Werke eine Art von Bühnenpräsenz, die möglicherweise auch von seinem professionellen Ursprung aus dem Bereich des Kostümbilds und des Theaters herrührt. Früh zwischen den medialen Sphären und fachlichen Gebieten navigierend, präsentiert er seine Arbeiten in unterschiedlichen Zusammenhängen, lässt sie als Fashion oder High Art auftreten. Bei Tedeschis ›Wanderung‹ nicht nur zwischen wechselnden ›Zielgruppen‹, sondern auch unterschiedlichen kommerziellen Märkten, transpassiert bzw. transzendiert er gesellschaftspolitische Grenzen, die sich in der Ästhetik und Wirkung seiner Objekte niederschlagen.« (J.M.)

Zentrum des Werkes von Georg Winter ist ein grundlegend neu bearbeitetes Verständnis der Kategorien von Produktion, Kommunikation, Interaktion und Rezeption im künstlerischen Feld. Der Weg, den der Künstler geht, ist der von einer spezifischen Problematik – Kameratechnik, ontologische Fragestellungen, Kultivierungs- und Politisierungsprozesse etc. – zu daraus abgeleiteten Forschungsinhalten, aus diesen wiederum werden die jeweils adäquaten Betriebsformen und weiter die Vermittlungs- und Übertragungswege in den öffentlichen/gesellschaftlichen Raum entwickelt. Damit parallel gehen – für jedes Projekt neu – Fragen der Depotenzierung und der Verdichtung plastischer Handlungen und Prozesse im Sinne der Rückführung von Erfahrung auf existentielle, erkenntnisbezogene wie körperbedingte Grundlagen: Wie lässt sich der ursprüngliche Sinn von Begriffen, die wir meist unbewusst handhaben, wieder freilegen? Welche Handlungen schließen sich selbstverständlich an die solchermaßen kenntlich werdende ›wahre‹ Bedeutung und den Ursprung der Wörter in ihren Grundbedeutungen an? Welche Instrumente kann ich anbieten, um die Verbindung von Wort und Ding, von Begriff und Gegenstand wieder handhabbar und also körperlich und haptisch begreifbar werden zu lassen?

Wandernde Formen

Waben, Raster, Kettenelemente, Netze und Chiffren / Kugeln, Kreise, Halbschalen, Möbiusbänder, Spiralen / stilisierte Symbole und abstrakte Raumzeichen – diese diverse Vielfalt einer Formenwelt, die sich aus Kultur, Natur, abstrakter Geometrie und Architektur speist, bezeichnet in etwa das in unserer Ausstellung begegnende, weit gespannte formale Inventar.

Eine frühe ikonische konzeptuelle Arbeit, welche Statik und Veränderbarkeit abstrakter Strukturen in Beziehung setzt, ist Sol LeWitts 16teilige Graphikmappe Lines of One Inch in Four Directions and All Combinations, 1971 [Linien von einem Zoll in vier Richtungen und allen Kombinationen]. Die klar gegebene Regelhaftigkeit des zeichnerischen Prozesses geht hier eine genuine Verbindung ein mit der rhythmischen Offenheit des visuellen Ergebnisses. Dem antworten, mit anderem Akzent, die von Kinetik und Op Art inspirierten Graphiken und Lichtobjekte der österreichischen konkreten Künstlerin Helga Philipp. Die Künstlerin vermittelt der seriellen Abfolge gleich großer Kreise durch Grau-Weiß-Abstufungen bzw. durch wechselnde Lichtintensitäten eine räumliche Dimension, die mit der Bewegung des Betrachters eine zusätzliche perzeptive Qualität und Vieldeutigkeit erfährt.

L’architettura è un cristallo war der Untertitel einer 1945 erschienenen Publikation des italienischen Architekten und Designers Gio Ponti: Diamant- und Kristallformen waren jedoch nicht nur Thema seiner architekturhistorisch breit angelegten Studie, sondern auch geometrische Leitmotive seiner Bauten (Pirelli Turm, Mailand) wie seiner Interieurentwürfe (etwa für das Wohnzimmer der Diamantina Villa in Caracas, 1957). Inspiriert von der abstrakten Ornamentik der venezuelanischen Kultur hatte Gio Ponti Wandpaneele mit einem kühlen, blau-weißen Diamantmuster entworfen, die dem von ihm entworfenen Ensemble von Raum und Mobiliar eine bildhafte Dimension geben. In unserer Ausstellung Conceptual & Applied III haben wir ein Wandobjekt sowie eine Skulptur der jungen griechischen Künstlerin Tula Plumi auf bzw. vor der Wand mit Entwürfen von Gio Ponti platziert – so antworten ihre von den Primärfarben der abstrakten Avantgarden und von den Materialstudien am Bauhaus des frühen 20. Jahrhunderts inspirierten Bild/Skulpturen auf Vorläufer, die auch für das Werk von Gio Ponti eine wichtige Basis waren.

Angewandte Sprache

Mit den oben eingeführten Aspekten von ›Übersetzung‹ und der ›Zirkulation von Formen und Ideen‹ sind einige weitere Medien und Metaphern zeitgenössischer Kunst gegeben: Sprache, Mobilität von Themen und Inhalten, Überwindung fixer Klassifizierungen und Kategorisierungen. Im Rahmen unserer Ausstellung ›Conceptual & Applied III‹ ist Sprache als Material vielfältig präsent: als Reproduktion literarisch-poetischer Texte (Czech), als bildhafte Titel/Textfindung (Issa), als editorische Praxis oder kritisch-theoretischer Text (Bo Bardi, Ponti), als abstrakte Zeichensprache (Trevisani, Efrat, Hefuna).

»Im Medium der Fotografie untersucht Natalie Czech die vielschichtige Wechselwirkung von Bild und Text und erschließt neue Bedeutungsebenen auf der Suche nach dem darin enthaltenen poetischen Potenzial. Ausgangspunkte ihrer poetischen Konzeptfotografien bilden gefundenes Material aus alten Zeitungen, Zeitschriften und Bildbänden, aber auch Werke der Poesie und Lyrik, in deren Textfluss Czech verborgene Poesien freilegt. Jenseits der festgelegten Leserichtungen werden verborgene Möglichkeiten der Sprache mit bildnerischen Mitteln sichtbar und Wörter in Bewegung gesetzt, nur ist ihr Sinn nicht mehr linear nachvollziehbar. Statt nur einer Richtung entwickeln Sinnbezüge ein Eigenleben, nach vielen Seiten.« (F.H.)

»Iman Issas Serie Material, 2010-11, ist eine Aktualisierung dieser konzeptionellen Ansätze im 21. Jahrhundert. Gegen ideologisch versteinerte Monumente stellt die gebürtige Ägypterin klare Formen ohne fest umschriebene Bedeutung. Auf ein minimalistisches Formenvokabular zurückgreifend, arbeitet sie an Vorschlägen und Alternativen für öffentliche Denkmäler. Jedes Werk, das Issa als ein Display beschreibt, kombiniert eine Sammlung von Objekten mit einem Vinyl-Text auf einer angrenzenden Wand und bezieht sich auf ein bestehendes Monument aus ihrer Heimatstadt Kairo. Die sehr langen, instruktiven Titel sind integraler Bestandteil jedes Displays und spielen in der Beschreibung auf ihre ursprünglichen Referenten an, ohne jedoch Details oder die Lage des Denkmals offenzulegen.« (F.H.)

Synchronisationen geometrischer und organischer Abstraktion

Als Auftragsarbeit für die Ausstellung der Daimler Art Collection im Museum Santa Giulia Brescia 2013 hatte Luca Trevisani, worauf weiter oben schon eingegangen wurde, fünf hängende Fahnen drucken lassen, welche die charakteristischen abstrakten Ornamente der römischen Mosaikböden des Domus Ortaglia (2. Jh. v.Chr.) in bronze- bzw. silberfarbene Pattern auf semitransparenter Spiegelfolie übersetzt zeigten. Das zweidimensionale, ornamentale Gitterwerk hat Trevisani um die Rundungen unterschiedlich großer Schlangenkörper ergänzt, welche die antiken Motive nicht nur in die Gegenwart einer zeitgenössischen künstlerischen Interpretation transportieren, sondern auch die aus Naturformen abgeleiteten Abstraktionen wiederum neu mit Emblemen einer organischen Natur ›synchronisieren‹ (Bourriaud) und versöhnen.

Für die Ausstellung ›Conceptual & Applied III: Surfaces and Pattern‹ haben wir Luca Trevisani wiederum um eine raumbezogene Auftragsarbeit gebeten. Sein Entwurf basiert auf einem ornamentalen, abstrakt-organisch anmutenden Raster aus Einzelelementen, die, mit verschiedenen farbigen Randseiten, über Boden und Wände des Ausstellungsraumes mäandern. Inspiriert ist die netzartige Struktur von den offenen Rastern maritimer Netze, in welchen Muscheln im Meer gezüchtet bzw. mit welchen sie getragen werden können. Man mag sich, Trevisanis räumlich-urbane Interpretation vor Augen, an die minimalen Strukturen eines japanischen Zen-Gartens erinnern, den man nur mit den Augen betritt, der also zu Imagination und Meditation einlädt. Zugleich ist die Arbeit so konzipiert, dass die Elemente aus dem steinähnlichen Material Corian betreten werden können, wodurch der Betrachter, über die labilen Stege balancierend, eher zu einem aktiven Tänzer als zu einem passiven Benutzer wird. Indem die Struktur die rechten Winkel zwischen Boden und Wand überspielt, erinnert die Struktur auch eine abstrakte Choreographie, an ein terrassiertes Gelände oder an ein Feld aus übergroßen, abstrahierten Reiskörner.

Ein Trevisani vergleichbares Moment der Synchronisation geometrischer und organischer Abstraktion findet sich in den Zeichnungen von Susan Hefuna und in den Fotocollagen von Bojan Sarcevic.

Susan Hefuna arbeitet in ihren Zeichnungen, Performances, Videos und fotografischen Arbeiten mit Gegensätzen und Übergängen, mit Reihungen, Schichtungen und Durchbrechungen. Dabei reflektiert die ägyptisch-deutsche Künstlerin kulturelle Konventionen und beschäftigt sich mit Geschichts- und Identitätskonstruktionen. Ihre für die Daimler Art Collection erworbenen Tuschezeichnungen basieren auf Punkten, Rastern und Liniensystemen auf zwei Schichten von Transparentpapier, welche netzartige, abstrakt-geometrische Strukturen entstehen lassen, die auch als subjektive Architekturentwürfe, als Teile städtischer Kartografien, Designentwürfe oder biologische Organismen verstanden werden können.

Verschiedene Ausgaben des seit 1910 in Deutschland erscheinenden Architekturmagazins ›baumeister‹ aus dem Jahr 1954 lieferten die Vorlagen für Bojan Sarcevics schwarzweiße Offsetdrucke, in die er abstrakt pittoreske Ornamente appliziert hat. Die kristallinen Strukturen oder mäandernden Bänder verleihen der Nüchternheit mancher Eingangshallen, Wohnräume, Treppenhäuser und Klassenzimmer eine attraktive, zweite visuelle Schicht, welche die Bilder, gleich einem falsch zusammengesetzten Puzzle, in fraktale Einzelheiten aufzulösen beginnt. Der klare Blick auf die Geschichte weicht dem Blick durch ein Kaleidoskop. Sarcevics ornamentale Einlassungen bilden historische Leerstellen aus, welche den Dokumentsinn der Fotografien auslöschen.

Von hier aus sei abschließend noch ein kursorischer Blick geworfen auf die Designobjekte der 1950er/60er Jahre, die im Dialog mit Luca Trevisani für unsere Ausstellung ›Conceptual & Applied III: Surfaces and Pattern‹ ausgewählt wurden. Sie alle sind bestimmt von der bereits beschriebenen Synchronisation geometrischer und organischer Abstraktion: als Synthese kristallin gebrochener Formen von Kreis und aufstrebendem Dreieck (Ursymbol der Verbindung femininer und maskuliner Energien) in der ›Bagdad‹ Lampe (1954) von Mathieu Matégot; als vergleichbar konnotierte Verbindung vertikal-konischer und horizontal-runder Form, wie sie der Steintisch ›Skipper‹ (1971) von Angelo Mangiarotti zeigt; als Synthese von aufsteigendem Wirbel und horizontaler Fläche, wie sie den wunderbaren Tisch ›Hurricane‹ (1950er Jahre) von Tapio Wirkkala charakterisiert; als gestalterische Koordination von filigranem Gestell und üppig gepolsterter Halbschale wie im Entwurf des ›Bowl Chair‹ (1951) von Lina Bo Bardi; oder umgesetzt schließlich als organisch-erotische Verschmelzung von Dreiecks- und Kreisformen des orangeroten ›Armchair‹ (1971) von Eero Aarnio.
 

Tags: John M. Armleder, Lina Bo Bardi, Natalie Czech, Benni Efrat, Haris Epaminonda, Susan Hefuna, Iman Issa, Sol LeWitt, Julian Opie, Helga Philipp, Tula Plumi, Gio Ponti, Bojan Sarcevic, Oskar Schmidt, Carmelo Tedeschi, Luca Trevisani, Renate Wiehager, Georg Winter