Franz West
14 Sep - 29 Oct 2011
FRANZ WEST
Epiphanien
14. 09. – 29. 10. 2011
Die Galerie Meyer Kainer freut sich die Ausstellung EPIPHANIEN von FRANZ WEST anzukündigen.
Als erster österreicher wurde Franz West 2011 mit dem Goldenen Löwen von Venedig für sein Lebenswerk ausgezeichnet.
Zu ihrer Biennale-Ausgabe hat Direktorin Bice Curiger Franz West gebeten, einen Para-Pavillon zu gestalten, der bei West nichts anderes ist als seine Wiener Küche, die er im Arsenal nachgebildet hatte. Auf den Wänden stellte er Werke von 20 befreundeten Künstlern aus, gleichermaßen Renommierten wie Unbekannten. Das erzählt viel über den demokratischen Prozess seines Kunstschaffens. Er schenkt anderen Künstlern in seinem Pavillon Beachtung, stellt sie im internationalen Teil aus. Seit jeher überprüft West die Zone zwischen Kunst und Alltag. "Wenn sie an Joseph Beuys denken", so Nicholas Serota, Direktor der Tate Gallery in London, "und an das Ideal der sozialen Skulptur, dann ist es das, was Franz West auf ein anderes Level gebracht hat."
Schon früh wendet sich West von der Malerei ab, da er – so der Künstler – in einer zweidimensionalen Welt nicht vorhanden sein kann. Selbst ein Teil seiner Kunst zu sein, in einem dreidimensionalen Raum durch seine Anwesenheit eine vierte Dimension zu schaffen – so entstanden Mitte der 1970er Jahre die "Passstücke"; Skulpturen mit Gebrauchswert, die jeder seinem Belieben entsprechend in Relation zum eigenen Körper bringen konnte.
West widmet sich in den letzten Jahren mehr und mehr exklusiv der Skulptur die zunehmend an Größe gewinnt und sich den Problemen des Außenraumes stellt, wobei er die von ihm intendierte spannungsreichen Interaktion zwischen Betrachter und Objekt fortsetzt.
Seine Ausstellung in der Galerie Meyer Kainer trägt den Titel EPIPHANIEN.
Im Eingangsraum der Galerie zeigt er die Installation "Epiphanie an Stühlen":
Eine Sputnik-förmige Papier-maché Skulptur schwebt wie eine gleichsam biblische Erscheinung über zwei Stühlen, die ihrerseits eine komfortable Betrachtung aus verschieden Blickwinkeln ermöglichen.
Doch Pathos liegt West nicht – eher schon das Unvollkommene, das Unfertige und die Widersprüchlichkeit. Seit den späten 1970er Jahren verfolgt West konsequent den Spagat zwischen philosophischem Ernst und feiner Ironie auf hohem Niveau.
In der Ausstellung "Epiphanien" entwirft er gewissermaßen ein Gegenkonzept zu dem des allmählich mündig werdenden Individuums, das die Vorstellung der universalen Bildung propagiert – des rationalen Verstehens und auch der Einfühlung.
Dem stellt er das Konzept des plötzlichen, emphatischen Aufschwunges, den Joyce als "Epiphanie" bezeichnet hat, entgegen und der, wie Roger Willemsen meint, einen völlig neuen Glückstypus artikuliert. Der wird dann bei Hofmannsthal als mystische Verschmelzung mit Gott identifiziert oder bei Benjamin oder bei Proust in der berühmten "Madeleine-Episode", wo Raum und Zeit zusammenfließen in dem Augenblick, in dem ein Sandgebäck in eine Tasse Lindenblütentee getaucht wird und plötzlich alle Bilder, die jemals in diesem Madeleine-Törtchen gespeichert waren, befreit werden. Plötzlich wird das bürgerliche Glück abgelöst von diesen Momenten augenblickshaften Zusammenfahrens von Glück und Erkenntnis.
Den Hauptraum der Galerie teilen sich vier Skulpturen "Epiphan", "Ebbe", "Securitá" und "", die West zu einem gartenartigen Ensemble verknüpft, das in seiner Dichte und Gravitation an das Pariser Atelier Brancusi erinnert.
Die Skulptur "", die nur ein Symbol anstatt eines Titels trägt setzt West langjährige Auseinandersetzung mit dem Philosophen Ludwig Wittgenstein fort. Schon 1985 hatte West ein Modell mit dem Titel "Wittgensteinzitat" entworfen, welches einen Kritzel, den er in den "Vorlesungen über ästhetik" gefunden hatte und der dort als Beispiel für Sinnlosigkeit und Beliebigkeit aufgeführt wird, im dreidimensionalen Raum als "Schleife" zu realisieren sucht.
Die Lesbarkeit dieser neuen Arbeiten ist, wie der Philosoph Peter Keicher ausführt, vielfältig: Die Skulpturen mögen wieder, ganz wie die Passstücke, vom Betrachter vereinnahmt werden, sei es als Sitzgelegenheit, sei es als Gedankenspiel.
Auch kann nämlich die Idee, ob man einen Satz an sich versteht oder ob der Satz erst ein Satz wird dadurch, dass man ihn versteht ideal auf die Arbeiten von Franz West angewendet werden, indem eben ein Passstück als solches gebraucht wird oder aber erst ein Passstück wird, dadurch dass es gebraucht wird.
Die in zitierte Linie stammt aus dem noch kaum bekannten Notizbuch MS 127 aus Wittgensteins Nachlass. In diesem Manuskript besteht die Pointe darin, dass eine scheinbar beliebige oder 'unsinnige' Linie unter bestimmten Umständen tatsächlich "in irgend einem wichtigen Sinne" einer musikalischen Komposition entsprechen könnte. Die Skulptur unterscheidet sich von älteren Sitzskulpturen unter anderem dadurch, dass sich die Sitzgelegenheiten nicht jeweils am Ende der plastischen 'Linien' befinden. Die Betrachter, Benutzer oder Gesprächspartner der Skulptur können sich stattdessen auf den 'linearen' Verlauf der plastischen Form selbst setzen, die an zwei Stellen auf Sitzhöhe erweitert wurde.
Die Skulptur ist eine scheinbar schlichte Form, die sich jedoch nicht nur plastisch sondern auch pragmatisch, philosophisch oder musikalisch interpretieren lässt.
Im Boltenstern Raum verweist West in szenischen Modellen auf den Produktionsprozess aber auch auf den situativen Kontext seiner Skulpturen. Diese Modell-Landschaften, in denen kleine Kartonfiguren mit organischen Formengebilden interagieren, werden auf speziell entworfenen Podesten in Plexiglasvitrinen präsentiert und zeigen die besondere Bedeutung, die West dem jeweiligen Präsentationsrahmen zumisst.
Epiphanien
14. 09. – 29. 10. 2011
Die Galerie Meyer Kainer freut sich die Ausstellung EPIPHANIEN von FRANZ WEST anzukündigen.
Als erster österreicher wurde Franz West 2011 mit dem Goldenen Löwen von Venedig für sein Lebenswerk ausgezeichnet.
Zu ihrer Biennale-Ausgabe hat Direktorin Bice Curiger Franz West gebeten, einen Para-Pavillon zu gestalten, der bei West nichts anderes ist als seine Wiener Küche, die er im Arsenal nachgebildet hatte. Auf den Wänden stellte er Werke von 20 befreundeten Künstlern aus, gleichermaßen Renommierten wie Unbekannten. Das erzählt viel über den demokratischen Prozess seines Kunstschaffens. Er schenkt anderen Künstlern in seinem Pavillon Beachtung, stellt sie im internationalen Teil aus. Seit jeher überprüft West die Zone zwischen Kunst und Alltag. "Wenn sie an Joseph Beuys denken", so Nicholas Serota, Direktor der Tate Gallery in London, "und an das Ideal der sozialen Skulptur, dann ist es das, was Franz West auf ein anderes Level gebracht hat."
Schon früh wendet sich West von der Malerei ab, da er – so der Künstler – in einer zweidimensionalen Welt nicht vorhanden sein kann. Selbst ein Teil seiner Kunst zu sein, in einem dreidimensionalen Raum durch seine Anwesenheit eine vierte Dimension zu schaffen – so entstanden Mitte der 1970er Jahre die "Passstücke"; Skulpturen mit Gebrauchswert, die jeder seinem Belieben entsprechend in Relation zum eigenen Körper bringen konnte.
West widmet sich in den letzten Jahren mehr und mehr exklusiv der Skulptur die zunehmend an Größe gewinnt und sich den Problemen des Außenraumes stellt, wobei er die von ihm intendierte spannungsreichen Interaktion zwischen Betrachter und Objekt fortsetzt.
Seine Ausstellung in der Galerie Meyer Kainer trägt den Titel EPIPHANIEN.
Im Eingangsraum der Galerie zeigt er die Installation "Epiphanie an Stühlen":
Eine Sputnik-förmige Papier-maché Skulptur schwebt wie eine gleichsam biblische Erscheinung über zwei Stühlen, die ihrerseits eine komfortable Betrachtung aus verschieden Blickwinkeln ermöglichen.
Doch Pathos liegt West nicht – eher schon das Unvollkommene, das Unfertige und die Widersprüchlichkeit. Seit den späten 1970er Jahren verfolgt West konsequent den Spagat zwischen philosophischem Ernst und feiner Ironie auf hohem Niveau.
In der Ausstellung "Epiphanien" entwirft er gewissermaßen ein Gegenkonzept zu dem des allmählich mündig werdenden Individuums, das die Vorstellung der universalen Bildung propagiert – des rationalen Verstehens und auch der Einfühlung.
Dem stellt er das Konzept des plötzlichen, emphatischen Aufschwunges, den Joyce als "Epiphanie" bezeichnet hat, entgegen und der, wie Roger Willemsen meint, einen völlig neuen Glückstypus artikuliert. Der wird dann bei Hofmannsthal als mystische Verschmelzung mit Gott identifiziert oder bei Benjamin oder bei Proust in der berühmten "Madeleine-Episode", wo Raum und Zeit zusammenfließen in dem Augenblick, in dem ein Sandgebäck in eine Tasse Lindenblütentee getaucht wird und plötzlich alle Bilder, die jemals in diesem Madeleine-Törtchen gespeichert waren, befreit werden. Plötzlich wird das bürgerliche Glück abgelöst von diesen Momenten augenblickshaften Zusammenfahrens von Glück und Erkenntnis.
Den Hauptraum der Galerie teilen sich vier Skulpturen "Epiphan", "Ebbe", "Securitá" und "", die West zu einem gartenartigen Ensemble verknüpft, das in seiner Dichte und Gravitation an das Pariser Atelier Brancusi erinnert.
Die Skulptur "", die nur ein Symbol anstatt eines Titels trägt setzt West langjährige Auseinandersetzung mit dem Philosophen Ludwig Wittgenstein fort. Schon 1985 hatte West ein Modell mit dem Titel "Wittgensteinzitat" entworfen, welches einen Kritzel, den er in den "Vorlesungen über ästhetik" gefunden hatte und der dort als Beispiel für Sinnlosigkeit und Beliebigkeit aufgeführt wird, im dreidimensionalen Raum als "Schleife" zu realisieren sucht.
Die Lesbarkeit dieser neuen Arbeiten ist, wie der Philosoph Peter Keicher ausführt, vielfältig: Die Skulpturen mögen wieder, ganz wie die Passstücke, vom Betrachter vereinnahmt werden, sei es als Sitzgelegenheit, sei es als Gedankenspiel.
Auch kann nämlich die Idee, ob man einen Satz an sich versteht oder ob der Satz erst ein Satz wird dadurch, dass man ihn versteht ideal auf die Arbeiten von Franz West angewendet werden, indem eben ein Passstück als solches gebraucht wird oder aber erst ein Passstück wird, dadurch dass es gebraucht wird.
Die in zitierte Linie stammt aus dem noch kaum bekannten Notizbuch MS 127 aus Wittgensteins Nachlass. In diesem Manuskript besteht die Pointe darin, dass eine scheinbar beliebige oder 'unsinnige' Linie unter bestimmten Umständen tatsächlich "in irgend einem wichtigen Sinne" einer musikalischen Komposition entsprechen könnte. Die Skulptur unterscheidet sich von älteren Sitzskulpturen unter anderem dadurch, dass sich die Sitzgelegenheiten nicht jeweils am Ende der plastischen 'Linien' befinden. Die Betrachter, Benutzer oder Gesprächspartner der Skulptur können sich stattdessen auf den 'linearen' Verlauf der plastischen Form selbst setzen, die an zwei Stellen auf Sitzhöhe erweitert wurde.
Die Skulptur ist eine scheinbar schlichte Form, die sich jedoch nicht nur plastisch sondern auch pragmatisch, philosophisch oder musikalisch interpretieren lässt.
Im Boltenstern Raum verweist West in szenischen Modellen auf den Produktionsprozess aber auch auf den situativen Kontext seiner Skulpturen. Diese Modell-Landschaften, in denen kleine Kartonfiguren mit organischen Formengebilden interagieren, werden auf speziell entworfenen Podesten in Plexiglasvitrinen präsentiert und zeigen die besondere Bedeutung, die West dem jeweiligen Präsentationsrahmen zumisst.