Meyer Riegger

Björn Braun

27 Mar - 07 Jun 2010

© Björn Braun
Untitled (Nest), 2009
mixed media
15 x 15 x 11 cm
BJÖRN BRAUN
"Ein Stück Himmel"

27.03.-07.05.2010

Wir freuen uns, mit „Ein Stück Himmel“ die erste Einzelausstellung von Björn Braun in unserer Karlsruher Galerie präsentieren zu dürfen.
Björn Brauns künstlerische Arbeiten entstehen aus einem Prozess der Umformung: In einer Synthese aus Hinzufügen und Wegnehmen generiert der Künstler Bilder, Collagen, Objekte und Raumgefüge, die zwischen natürlicher Genese und künstlicher Formgebung zirkulieren. Papier, Holz, Fasern und Federn bilden für Braun Substanzen, welche er in unterschiedlichen Erscheinungsformen betrachtet und unter Einbezug von Literatur, industriell erzeugten Textilien und in der Natur gefundenen Gegenständen einem bildhaften Diskurs unterzieht. Die Ökonomie im Umgang der von ihm verwendeten Materialien erscheint hierbei als Ursprung seiner konzeptuell-minimalistischen Formensprache, die der Künstler mit einem anarchistischen Gestus – im Aufbruch und Verstellen eines gewohnten Blicks – hin zur Abstraktion überführt.

In seiner aktuellen Ausstellung legt Björn Braun den Fokus auf die Konstruktion von Form und Raum, indem er natürliche und kulturelle wie auch landschaftliche und architektonische Konzepte in Korrespondenz zueinander stellt. So zeigt der Künstler im Vorderraum unserer Galerie eine Folge verschiedener Vogelnester, die unter Mitwirken zweier Zebrafinken entstanden sind. Im Verlauf einiger Wochen hatte der Künstler den Vögeln unterschiedliche Materialien wie Gräser, Wolle, Jute, synthetische Fasern oder mit farbigem Kunststoff umhüllten Draht als Baumaterial zur Verfügung gestellt, aus welchem die Vögel unterschiedliche Nester geknüpft haben. Die von Braun intendierte Vorgabe des jeweiligen Materials hat so im Konstruktionsprozess des einzelnen Nestgewebes zu einem spezifisch äußeren Erscheinungsbild des Objektes geführt, und dabei eine Folge vielfarbiger Körper heraus gebildet, die zwischen plastisch-ästhetischer Ausformung und natürlich funktionaler Formgebung zirkulieren.

Im zweiten Raum unserer Galerie setzt Björn Braun den Gedanken des Ineinandergreifens von menschlich kulturalisierten und natürlichen Lebensräumen fort. Hier hat der Künstler einen direkten architektonischen Eingriff in den Raum vorgenommen, indem er ein schmales, horizontal ausgerichtetes Fenster gegen eine aus Vogelfutter gegossene Platte ausgetauscht hat. Die verhärtete und in Form gebrachte Futtermasse besteht so als ephemer angelegtes, und gleichsam konstruktives Element des Raumes, welches erst mit der Interaktion der im Außenraum lebenden Vögel – durch Nahrungsaufnahme des Futters – die von Braun eingefügte Membran zwischen Innen und Außen durchdringt.

Das Auflösen und bildnerische Umformen gegebener Raumgefüge und Perspektiven wird so auch in Björn Brauns Collagen zum Bildgegenstand. Als Vorlage dienen dem Künstler Abbildungen aus Heimatliteratur der 1950er und 1960er Jahre, aus denen Braun schwarz-weiße oder vielfarbige Abbildungen auswählt. Im Ausschneiden und Re-Assemblieren spezifischer Fragmente konstruiert der Künstler hierbei neue, dem Bild immanente Logiken: So zeigt eine dieser Collagen eine von Apfelkisten flankierte Wegstrecke, wobei Braun das im Bild in Kisten geordnete Obst partiell entfernt und als konstruktives Element – nämlich als eine im Bildraum als Flucht angelegte Linie – neu integriert. In einer manuellen Montage des Bildes, welches er in der Folge auf der Innenseite eines Buchrückens als Bildträger anbringt, vereint Björn Braun einen vergangenen dokumentierten mit einem fiktiv-konkreten Zustand, und verknüpft diese Verschränkung von Zeit und Raum zu einer synthetischen, selbstreferenziellen Bildsprache.

Die mediale Umformulierung eines Bildes ist ähnlich auch in Björn Brauns neuen monochromen Bildtafeln entscheidend. Hierfür hat der Künstler zwei thematische Bücher gewählt, die er in einem separaten Vorgang des Aufkochens und anschließendem Schöpfen des Papiers zu zwei Bildflächen transformiert, und horizontal übereinander angeordnet hat. Während die obere, bläulich gefärbte Bildfläche aus einem Buch über den Himmelsraum entstanden ist, referiert die untere, beigefarbene Fläche auf ein solches Buch, das einen irdischen Landschaftszug umschreibt. Der Titel der Arbeit „Nordwind Weiße Täler“ bezieht sich hier gleichsam auf die jeweils verwendete Literatur und die Zusammensetzung des Bildes, wobei die Größe der einzelnen, rechteckigen Bildfläche der Stärke des jeweiligen Buches entspricht. Die Sichtbarkeit einzelner Buchstaben des zersetzten Textes, sowie der Verbleib größerer Papierfasern, durchzieht das jeweilige Blatt mit einer auf Zufall beruhenden Struktur, die ihrerseits eine abstrakte Landschaft erzeugt. Das Aufeinandertreffen der beiden Bildflächen hingegen evoziert sinnbildlich eine Horizontlinie, welche beide Bildräume vereint und gleichsam voneinander separiert.

Die Visualisierung eines nicht (mehr) sichtbaren, doch als abstrahiertes Abbild zum Ausdruck gebrachten Raumes wird schließlich in der Plastik Spechtbau haptisch konkret. Der Künstler hat einen leeren Spechtbau – ein in einen Baumstamm eingeschlagener Hohlraum – mit Gips ausgegossen und anschließend die hölzerne Ummantelung dieses Nestes abgetragen. Was verbleibt, ist eine mit Prägungen der Rinde versehene Negativform des Spechtbaus, welche die ursprüngliche Funktion dieser Vogel-Behausung und Brutstätte ad absurdum führt. Während bei dem ursprünglichen Nestbau der Lebensraum erst durch Wegnahme entsteht – und damit ein Gegenbild zu der im ersten Ausstellungsraum ausgeführten, plastischen Nestkonstruktion ist – führt Björn Braun hier dem Betrachter viel mehr noch eine doppelte Negativität vor Augen, die sich als skulpturales Objekt im Raum manifestiert und den so plastisch skizzierten Raum gleichsam in Frage stellt.

Christina Irrgang
 

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