Mezzanin

Christina Zurfluh

02 Jul - 06 Sep 2008

© Installation view
Christina Zurfluh

Zweidimensionale Skulptur und dreidimensionale Zeichnung

Für viele, die mit der Arbeit von Christina Zurfluh vertraut sind, mag diese Ausstellung etwas überraschend sein: Keine großformatigen bunten Bilder, Papierarbeiten oder Skulpturen, sondern zarte, monochrome, mit dem Raum verbundene Skulpturen und kleinformatige, ebenfalls monochrome Zeichnungen. Die Künstlerin hat jedoch als Referenz dafür, dass diese Arbeiten in einem kontinuierlichen Verhältnis zu älteren stehen, eines ihrer Bilder in den hinteren Raum der Galerie gehängt. Es stellt die Verbindung zu den älteren Arbeiten her, in denen die Farben in dicken Schichten aufgetragen wurden, um dann zum Teil wieder nach bestimmten Systemen entfernt zu werden und so eine Malerei des Ab- und nicht des Auftragens zu sein. Es war und ist immer eine zentrale Strategie Zurfluhs, Dinge zu bearbeiten, auch dann, wenn sie ihre Rohlinge selbst herstellt. In den Papierarbeiten dieser Zeit sind die Farbreste am Atelierboden die Rohlinge. Diese Strategie hat auch damit zu tun, etwas nicht aus dem Nichts zu schaffen oder etwas einfach abzubilden, sondern immer etwas Vorhandenes zu übersetzen und dabei den Akt der Übersetzung (bzw. Bearbeitung) in den Mittelpunkt des Blicks zu rücken. Dabei geht es immer wieder um das Verhältnis zwischen den Eigenschaften von Material und Objekt und der Flächenhaftigkeit des Bildes. Beide Pole werden in der Arbeit in immer neuen Formen bis hin zur Unauflöslichkeit verbunden. Die Geschichte der Zeichnungen in der Ausstellung beginnt natürlich bei den älteren Bildern mit den freigelegten Schichten und geht dann weiter zu Wandflächen in New York, die immer wieder mit Plakaten und anderen Dingen beklebt werden, die ihrerseits wieder abgerissen werden und so eine ganz ähnliche Struktur wie die Bilder bekommen. Diese hat die Künstlerin wiederum photographiert und so in eine Zweidimensionalität zurückgeführt und diese Photographien sind es, die wiederum den Ausgangspunkt der Zeichnungen der Ausstellung bilden. Wir haben also eine ganze Kette von Repräsentationen vor uns, die durch eine Vielfalt von Relationen zusammengehalten wird. Wenn die Photographien Inspiration für die Zeichnungen sind, transportieren sie die Schichten mit, die sie abbilden aber auch deren Geschichte, nach der sie ja ursprünglich aus einzelnen Papierflächen entstanden sind. Das Verfahren erinnert so an eine Übersetzung, in der ein Text von einer Sprache in die Nächste übersetzt wird, um vielleicht irgendwann in stark veränderter Form wieder in der Ausgangssprache zu landen. Nur das in diesem Fall keine Bedeutung verloren geht, denn es geht in Christina Zurfluhs Kunst um die Möglichkeiten und Eigenschaften der Übersetzung selbst und nicht um außerkünstlerische Inhalte. In den monochromen Zeichnungen setzen sich die einzelnen Striche zu so etwas wie Drahtgeflechten zusammen, die auf einer tiefen Ebene, fast surrealistisch anmutend, zur Dreidimensionalität zurückkehren, um sich gleichzeitig von den flächenhaften Figuren nochmals abzusetzen. Was zunächst wie ein einfaches Phantasiegebilde aussieht, erweist sich dann als eine Anordnung mit komplexer Geschichte. Der Beladenheit der Zeichnungen steht die Leichtigkeit der Skulpturen gegenüber. Auch hier geht es um das Verhältnis von Fläche versus Objekt, nur dass die Richtung eine umgekehrte ist. Die Skulptur im Eingangsbereich der Galerie wirkt auf den ersten Blick wie eine Wandmalerei - man denkt an Arbeiten von Sol Lewitt - und erst später wird klar, dass hier etwas im Raum geschieht. Die Illusion deutet auf Fläche hin, genauso wie die Zeichnungen auf Raum deuten. Die Schnüre sind entmaterialisiert, während die Striche zu physischen Objekten werden. Dann wird aber wieder klar, dass Zurfluh das Objekt doch wieder einführt, indem sie die Kräfte im Raum durch die Gewichte wieder sichtbar macht. Man merkt, dass hier der Strich physikalischen Gesetzen unterworfen ist. In der zweiten Skulptur wird ein Raum in einen Raum gezeichnet, der sich dann doch in unterschiedlichen Perspektiven und durch die Schwere der Gewichte wieder in ein dreidimensionales Objekt verwandelt. Selten wird in einer Ausstellung das Verhältnis zwischen Objekt und Bild, Material und Materielosigkeit in einer so vielschichtigen Art und Weise angesprochen und gleichzeitig die Geschichte der Künstlerin und auch der Kunst so klar mit reflektiert.

Martin Prinzhorn

Two-dimensional sculpture and three-dimensional drawing

For many people familiar with the work of Christina Zurfluh this exhibition may be somewhat surprising: no large-format colourful pictures, paper works and sculptures but instead delicate monochrome sculptures connected to the space around them and small-format drawings, also monochrome. Nevertheless, the artist has hung one of her pictures in the back room of the gallery as a point of reference, showing that these works have a continuous relationship to her earlier works. It makes the connection to her older works in which the paint was applied in thick layers and then partly removed in accordance with particular systems so as to become painting based on removing and not on applying paint. It was and is a central strategy of Zurfluh to rework things even when she produces her raw materials herself. In the paper works of this time the remains of paint on the studio floor are the raw materials. This strategy does not have to do with creating something out of nothing or simply depicting something but rather it is always about transforming something at hand and thereby putting the act of transformation (or reworking) into sharp focus. In the process it is repeatedly a matter of the relationship between the characteristics of the material and object and the flat nature of the picture. In her work the two poles are connected in continually new forms as far as insolubility. The history of the drawings in the exhibition naturally begins with the old pictures with the exposed layers and goes on to wall surfaces in New York on which posters and other things had been pasted over and over again, which she then tore off so that they took on a very similar structure to the pictures. The artist then in turn photographed them and led them back into two-dimensionality – and it is these photographs which in turn form the starting point of the exhibition. We thus have a whole chain of representations before us which are held together by a multiplicity of relationships. If the photographs are inspiration for the drawings, they transport with them the layers that they depict but also their history in which they were originally created from individual paper surfaces. The process is strongly reminiscent of a translation in which a text is translated from one language into the next so as perhaps at some time to end up in the original language again in a greatly changed form. It is just that in this case no meaning gets lost because in Christina Zurfluh's art it is about the possibilities and characteristics of the translation itself and not a question of content that is external to art. In the monochrome drawings the individual lines come together into something like meshworks of wire which at a deep level, appearing almost surrealistic, return to three-dimensionality and at the same time once again distance themselves from the figures adhering to the surface. What at first looks like a simple fantasy structure then proves itself to be an arrangement with a complex history. The charged nature of the drawings confronts the lightness of the sculptures. Here too it is about the relationship of surface versus object, it is just that the direction is the opposite one. At first glance the sculpture in the entrance area of the gallery appears like a wall painting – it brings to mind works by Sol Lewitt – and only later does it become clear that something is happening in the surrounding space. The illusion suggests surface in exactly the same way as the drawings suggest space. The strings are dematerialised while the lines become physical objects. But then it again becomes clear that Zurfluh re-establishes the object in that she again makes visible the energies in the space through the weights. It is noticeable here that the line is subject to physical laws. In the second sculpture a space in a space is drawn, which then however again, in different perspectives and through the heaviness of the weights, transforms itself into a three-dimensional object. Rarely at an exhibition is the relationship between object and picture, the material and the dematerial, addressed in such a multilayered way and, at the same time, the history of the artist and also the art so clearly reflected with it.
 

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