Joseph Zehrer
20 Mar - 25 Apr 2015
JOSEPH ZEHRER
Cut it
20 March - 25 April 2015
“Meßt nach, da darf kein Fehler drin sein!« , Albrecht Dürer
Anders als bei dem perfekten handgezeichneten Kreis Albrecht Dürers, malt Joseph Zehrer einen Kreis, bei dem niemand erst nachmessen muss, denn auf den ersten Blick ist klar, perfekt ist dieser nicht. Meisterschaft ist in dem kleinen Gemälde “Der perfekte Kreis” ein Thema, das aus der Vergangenheit kommt. Meisterschaft ist (immer schon) Geschichte. Das Bild zeigt, neben dem ungenau mit Kreide gezeichneten Kreis, erfundene, altertümlich wirkende Zeichen, vielleicht die auf eine Tafel geschriebene Formel eines Wissenschaftlers, sowie Bruchstücke einer gitterartigen architektonischen Rundbogen-Konstruktion – eine von analogen Menschen gemachte Welt in Auflösung. In der Ausstellung wiederholen sich die Kreise in den beiden ringförmigen Skulpturen “Kreislauf” und “Mittelpunkt”. Alles fließt.
Cut it. Die bunten Grids stehen zum Fluss der Zeiten im Gegensatz. Wie aus dem Leben geschnitten wirken die Papierstreifen, die Zehrer aus Litfaßsäulen herausgeschnitten hat. Dabei hat er durch viele Schichten übereinander geklebter Plakate hindurch geschnitten. Es handelt sich, auch wenn man nur das oberste Bild sieht, um eine Bildermasse. Die Bildstreifen (Ausschnitte) sind verwoben mit Streifen aus Materialien verschiedener Halbwertszeiten, Spiegel, Plexi, Holz, Leinwand. Jedes Material hat sein ganz eigenes paralleles Leben, seine eigene “Geschichtlichkeit”. Keine Bahn dominiert, auch nicht die Bildbahn.
Natürlich kann man angesichts des leichtfüßig über Allem in dieser Ausstellung auch schwebenden Humors von Ironie sprechen. Der Angelpunkt liegt aber tiefer, in einem künstlerischen Verhältnis zur Geschichtlichkeit von Kunst und Ihrer Mittel. Einem Verhältnis, das den vollkommen runden Kreis ausschließt.
Der Kreis aus freier Hand (Überlieferung – Franken)
Willibald Pirckheimer saß mit Dürer in dessen Haus zusammen in einer fröhlichen Versammlung. Man redete von den Künstlern des Auslandes und von ihren sonderbaren Bräuchen. Da erzählte Pirckheimer eine Geschichte:
Vor wenigen Jahren wurde in Rom die neue Peterskirche mit Wandgemälden geschmückt. Der Papst wollte den besten Künstler beauftragen und ihn unter allen Bewerbern herausfinden. Darum schickte er einen seiner Herren bei allen berühmten Meistern in ganz Italien herum und bat, sie sollte ihm Probezeichnungen liefern. Wer die beste Zeichnung lieferte, sollte die Arbeit bekommen. Jeder Maler gab sich Mühe, etwas Schönes für den Heiligen Vater zu zeichnen. Der Beauftragte des Papstes kam auch nach Florenz zu dem berühmten Maler Giotto und richtete seine Bestellung aus. Giotto besann sich kurz, nahm dann ein Blatt, tauchte seinen Pinsel ein und zeichnete damit einen Kreis, ohne abzusetzen Dann überreichte er das Blatt dem Herrn. Der aber war nicht zufrieden und wollte eine bessere und schönere Zeichnung. Giotto aber sagte: »Geht herum bei allen berühmten Künstlern! Keiner kann euch eine solche Probe liefern wie die!« Als der Papst die Probezeichnungen durchsah, erkannte er die große Geschicklichkeit, mit der der Kreis gemacht war, und entschied, daß Giotto der geschickteste und beste Maler sei und daß er die Wände der Peterskirche schmücken solle.
So erzählte Willibald Pirckheimer in der fröhlichen Versammlung im Hause Albrecht Dürers. Da sprachen die Herren hin und her und meinten: »Der Kreis kann ja recht gut gewesen sein! Aber wenn der Papst den Zirkel genommen hätte, dann wäre doch herausgekommen, daß er da und dort nicht ganz genau und richtig gewesen ist.« Dürer sagte kein Wort, nahm eine Kohle aus dem Kamin und zog damit auf der Wand einen Kreis. Dann sagte er, indem er einen Punkt in die Mitte setzte: »Meßt nach, da darf kein Fehler drin sein!« Sie holten einen Zirkel und fanden den Kreis wirklich tadelfrei.
Cut it
20 March - 25 April 2015
“Meßt nach, da darf kein Fehler drin sein!« , Albrecht Dürer
Anders als bei dem perfekten handgezeichneten Kreis Albrecht Dürers, malt Joseph Zehrer einen Kreis, bei dem niemand erst nachmessen muss, denn auf den ersten Blick ist klar, perfekt ist dieser nicht. Meisterschaft ist in dem kleinen Gemälde “Der perfekte Kreis” ein Thema, das aus der Vergangenheit kommt. Meisterschaft ist (immer schon) Geschichte. Das Bild zeigt, neben dem ungenau mit Kreide gezeichneten Kreis, erfundene, altertümlich wirkende Zeichen, vielleicht die auf eine Tafel geschriebene Formel eines Wissenschaftlers, sowie Bruchstücke einer gitterartigen architektonischen Rundbogen-Konstruktion – eine von analogen Menschen gemachte Welt in Auflösung. In der Ausstellung wiederholen sich die Kreise in den beiden ringförmigen Skulpturen “Kreislauf” und “Mittelpunkt”. Alles fließt.
Cut it. Die bunten Grids stehen zum Fluss der Zeiten im Gegensatz. Wie aus dem Leben geschnitten wirken die Papierstreifen, die Zehrer aus Litfaßsäulen herausgeschnitten hat. Dabei hat er durch viele Schichten übereinander geklebter Plakate hindurch geschnitten. Es handelt sich, auch wenn man nur das oberste Bild sieht, um eine Bildermasse. Die Bildstreifen (Ausschnitte) sind verwoben mit Streifen aus Materialien verschiedener Halbwertszeiten, Spiegel, Plexi, Holz, Leinwand. Jedes Material hat sein ganz eigenes paralleles Leben, seine eigene “Geschichtlichkeit”. Keine Bahn dominiert, auch nicht die Bildbahn.
Natürlich kann man angesichts des leichtfüßig über Allem in dieser Ausstellung auch schwebenden Humors von Ironie sprechen. Der Angelpunkt liegt aber tiefer, in einem künstlerischen Verhältnis zur Geschichtlichkeit von Kunst und Ihrer Mittel. Einem Verhältnis, das den vollkommen runden Kreis ausschließt.
Der Kreis aus freier Hand (Überlieferung – Franken)
Willibald Pirckheimer saß mit Dürer in dessen Haus zusammen in einer fröhlichen Versammlung. Man redete von den Künstlern des Auslandes und von ihren sonderbaren Bräuchen. Da erzählte Pirckheimer eine Geschichte:
Vor wenigen Jahren wurde in Rom die neue Peterskirche mit Wandgemälden geschmückt. Der Papst wollte den besten Künstler beauftragen und ihn unter allen Bewerbern herausfinden. Darum schickte er einen seiner Herren bei allen berühmten Meistern in ganz Italien herum und bat, sie sollte ihm Probezeichnungen liefern. Wer die beste Zeichnung lieferte, sollte die Arbeit bekommen. Jeder Maler gab sich Mühe, etwas Schönes für den Heiligen Vater zu zeichnen. Der Beauftragte des Papstes kam auch nach Florenz zu dem berühmten Maler Giotto und richtete seine Bestellung aus. Giotto besann sich kurz, nahm dann ein Blatt, tauchte seinen Pinsel ein und zeichnete damit einen Kreis, ohne abzusetzen Dann überreichte er das Blatt dem Herrn. Der aber war nicht zufrieden und wollte eine bessere und schönere Zeichnung. Giotto aber sagte: »Geht herum bei allen berühmten Künstlern! Keiner kann euch eine solche Probe liefern wie die!« Als der Papst die Probezeichnungen durchsah, erkannte er die große Geschicklichkeit, mit der der Kreis gemacht war, und entschied, daß Giotto der geschickteste und beste Maler sei und daß er die Wände der Peterskirche schmücken solle.
So erzählte Willibald Pirckheimer in der fröhlichen Versammlung im Hause Albrecht Dürers. Da sprachen die Herren hin und her und meinten: »Der Kreis kann ja recht gut gewesen sein! Aber wenn der Papst den Zirkel genommen hätte, dann wäre doch herausgekommen, daß er da und dort nicht ganz genau und richtig gewesen ist.« Dürer sagte kein Wort, nahm eine Kohle aus dem Kamin und zog damit auf der Wand einen Kreis. Dann sagte er, indem er einen Punkt in die Mitte setzte: »Meßt nach, da darf kein Fehler drin sein!« Sie holten einen Zirkel und fanden den Kreis wirklich tadelfrei.