Nassauischer Kunstverein

Mario Pfeifer

06 Nov - 04 Dec 2011

MARIO PFEIFER
Einzelausstellung
06. November 2011 bis 04. Dezember 2011

In seiner ersten institutionellen „Einzelausstellung“ präsentiert Mario Pfeifer (*1981, Dresden) Film- und Videoinstallationen aus den Jahren 2008 bis 2010 und gibt einen konzentrierten Überblick zu seiner künstlerischen Entwicklung seit seinem Studium an der Städelschule Frankfurt am Main, 2008. Seinem jüngsten und bisher umfangreichsten Werk, A FORMAL FILM IN NINE EPISODES, PROLOGUE & EPILOGUE (2010), werden drei zuvor produzierte Film- und Videoinstallationen gegenübergestellt. Zudem werden 3 fotografische Arbeiten, die zu jeweils einer der Installationen Bezug nehmen und deren Recherchestrategien und Produktionsbedingungen reflektieren, den Filmen gegenübergestellt.

Ein Kontinuum in der Arbeit Mario Pfeifers sind deutliche formale und inhaltliche Referenzen zu anderen Künstlern und Werken, zumeist aus den 1960er und 70er Jahren, sowie das Ausloten einer durchkomponierten formalen Ästhetik, die er auf die Ausstellungsarchitektur ausweitet.

RECONSIDERING „THE NEW INDUSTRIAL PARKS NEAR IRVINE, CALIFORNIA BY LEWIS BALTZ, 1974” (2009) greift als zweiteilige s/w 16mm-Projektion eine Industriearchitektur auf, die bereits der amerikanische Künstler in seinem gleichnamigen Künstlerbuch porträtierte. Die eine Projektion führt den Betrachter mittels einer 11-minütigen ungeschnittenen Kamerafahrt durch das Interieur einer Metallwerkstatt. Ein Interview mit dem ehemaligen Pächter erläutert den industriegeschichtlichen Kontext. Die zweite Projektion zeigt parallel dazu ein Durchblättern von Baltz’ Bildband von hinten nach vorne, wobei jede aufgeschlagene Buchseite zu einer Montage mit der fortlaufenden Kamerafahrt verschmilzt. Erst am Ende, als die Kamerafahrt vor dem Gebäude stoppt, lässt Pfeifer die Montage pointiert auseinanderfallen zu zwei unvereinbaren Einzelbildern und darüber hinaus zum Kommentar auf die Wechselbeziehung zwischen Film und Fotografie.
YET UNTITLED [‛PIECES OF NATURE’] (2008) kann sowohl als Performance, als auch Filmproduktion interpretiert werden und folgt Schauspielern bei einem vermeintlichen Casting. Auch die Crew und der Regisseur agieren vor der Kamera und am Ende spiegelt sich sprichwörtlich Jeff Walls „Picture for Women“ wider, eine filmische Inszenierung der inszenierten Fotografie.
Um eine Eroberung des Raums geht es im Film UNTITLED [‛TWO GUYS’] (2009). Mario Pfeifer folgt zwei jungen Männern mit der Kamera durch Berlin-Kreuzberg und wird zum filmischen Beobachter ihrer Körpersprache und Mimik, die schließlich im ästhetisch-rhythmischen Krumping kulminiert und den Raum zu sprengen scheint. Krumping bezeichnet einen expressiven Tanz, der sich zunächst unter amerikanischen Jugendlichen auf der Straße entwickelte und die Möglichkeit bot, Aggressionen abzubauen und dem Gangleben zu entkommen. In seinem Film kommt Pfeifer ihnen nicht nur einmal bedenklich nah und durchbricht somit einen körperlichen Schutzraum.

Als dreiteilige Projektion entfaltet schließlich A FORMAL FILM IN NINE EPISODES, PROLOGUE & EPILOGUE (2010) seine eindringliche Bilderkraft auf der zweiten Etage. Strukturiert über neun Episoden werden Landschaft, Architektur, Innenräume und Menschen in Mumbai und Umgebung porträtiert, wobei jeder Ort eine geheimnisvolle Schönheit ausstrahlt. Mehr und mehr wird schließlich die dokumentarische Perspektive zugunsten der Narration verlassen, indem Mario Pfeifer sich auf zwei Protagonisten fokussiert und deren Geschichte nachzeichnet. Über die ästhetische Kraft hinaus lotet der Film auf kritische Weise die Entwicklung der Stadt Mumbai und ihre kulturellen Phänomene aus. Wie auch schon Louis Malle mit seinem Meisterwerk L’INDE FANTÔME von 1969, verharrt auch Pfeifer auf der Position des Außenstehenden, der auf eine fremde Kultur blickt, sich ihrer Faszination jedoch nicht entziehen kann.
Mit dem formalen Titel „Einzelausstellung“ bezieht sich Mario Pfeifer auf das tatsächlich Sichtbare im Ausstellungsraum und hinterfragt gleichzeitig die Existenz des Singulären, das Subjekt im Diskurs.
 

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