Neuer Berliner Kunstverein (n.b.k.)

Via Lewandowsky

02 Sep - 15 Oct 2006

Via Lewandowsky: paeninsula

2. September - 15. Oktober 2006
Eröffnung: Freitag, 1. September, 19 Uhr

Der vom Künstler gewählte Titel paeninsula, das lateinische Wort für Halbinsel, beschreibt, anders als zu erwarten, nicht die in der Ausstellung gezeigten Werke, sondern spielt an auf die dem Œuvre des Künstlers innewohnenden Ortsbestimmungen und ästhetischen Perspektiven, die mit diesem Begriff metaphorisch in Verbindung gebracht werden können. Paeninsula setzt eine psychologische Topografie persönlicher Erfahrungen ins Bild, entwirft eine Landkarte des künstlerischen Bewusstseins, die allegorisch mit der Seelenlandschaft des Künstlers korrespondieren soll. Er entführt den Betrachter in „halbinselartige“ Bereiche seiner Fantasie, die zugleich hermetisch erscheinen und sich in Richtung neuer Erkenntnisse öffnen.

Mit dem Begriff paeninsula wird indirekt auch auf die Bedeutung des Reisens verwiesen und somit an vorangehende Ausstellungsprojekte des Künstlers angeknüpft wie gleichzeitig der seit der Romantik tradierte Topos der „Landschaft als Seelenzustand“ inszeniert. Die Halbinsel ist Ziel und Zustand künstlerischer Prozesse und Ergebnisse. Werke sind Expeditionen und Aufenthalte in Denkwelten. Das Reisen im Kopf, in der Vorstellung, war bereits Thema und Gegenstand der Auseinandersetzung in den verschiedenen Arbeiten Lewandowskys der vergangenen zehn Jahre. Ob als Fotoserie in Never Been There, als Installation zur letzten Reise des Kosmonauten Komarow in Last Call oder den Skulpturen der Jenseitsfähren, immer geht es um die Reisen, die wir in Gedanken unternehmen. So beschreibt paeninsula eine Metaebene und Projektionsfläche, ist Phänomen und Symbol. Ein Konstrukt, das nicht mehr sein will als der Name eines Hotels, Restaurant oder einer Reiseagentur (Via Lewandowsky).

Das Konzept der Ausstellung enthält zwei inhaltliche Ebenen, die unabhängig voneinander lesbar sind. Dementsprechend sind im Neuen Berliner Kunstverein zwei sich überlagernde Ausstellungen zu sehen. Die eine fokussiert die Idee der Halbinsel, ohne dabei direkt geografische oder topografische Bilder zu benutzen. Sie überträgt die Idee des Halben, des nicht Ganzen und des Unfertigen auf Objekte und Gegenstände, die metaphorisch mit dem Bild der Insel assoziiert werden können, so wie die Insel Allegorie für Dinge sein kann, die nichts mit einem von Wasser umgebenen Landmassiv zu tun haben. Die andere Ausstellung ist eine räumliche Inszenierung blauer, kegelförmiger Skulpturen, die vom durchdringenden Sound gurrender und flügelschlagender Tauben umgeben sind. Die Gebilde könnten riesige künstliche Taubendreck-
haufen oder auch Modelle von Behausungen einer unbekannten Lebensform sein.

Die verschiedenen Formen der amorphen Substanz überlagern und durch-
dringen einander und bilden ein vereinnahmendes aggressives Wesen, dessen bizarre Haufen aber eine eigenwillige Schönheit erzeugen und gleichzeitig eine Rahmung für die weiteren „Ausstellungsobjekte“ zum Thema Paeninsula darstellen. In ihrer Gesamtheit als raumkünstlerisches Konzept verweist die Ausstellung als „Topografie des Bewusstseins“ auf utopische Daseinsformen sowie ihr mögliches Scheitern und lenkt den Blick ebenso auf die Wunder-
kammern des Lebens wie die Abgründe der Gesellschaft und ein Kunstsystem hehrer Versprechungen.

Zur Ausstellung, die anschließend in der Kunsthalle Göppingen und im Neuen Museum Weserburg in Bremen, zu sehen sein wird, erscheint ein Katalog mit Beiträgen von Inke Arns, Durs Grünbein, Joachim Jäger, Constanze von Marlin, Christoph Tannert, Ivo Wessel und Christoph Zuschlag im Hatje Cantz Verlag zum Preis von 28 Euro.

© Via Lewandowsky
Geteilte Freude ist doppelter Spass, 2002
 

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