Parrotta

Judith Fegerl 'Expositurenkabinett'

24 Oct - 29 Nov 2008

Judith Fegerl
Tension Objekt, 2006
Expositurenkabinett

Als Expositurenkabinett präsentieren sich die Objekte der ersten umfassenden Einzelausstellung der in Wien lebenden Künstlerin Judith Fegerl (*1977), die soeben mit dem Niederösterreichischen Kunstpreis geehrt wurde. Sie gibt Einblick in ihr Schaffen der letzten Jahre und damit in ein Themenfeld, das changiert zwischen Technischem und Organischem, Artifizialität und Natürlichkeit, wissenschaftlicher Objektivität und subjektiver Emotionalität. Im Gang durch dieses Arsenal mechanisch-kinetischer Apparaturen, deren Bewegungen auf psychische Vorgänge und Automatismen verweisen, mischen sich Charakteristika organischer und anorganischer Körper. Dabei liegen die Mechanismen der Automaten Judith Fegerls nicht wie das Unbewusste – verborgen im Inneren – sondern offen. Leicht lassen sich die Treibfedern und Übertragungsmechanismen ausfindig machen und doch sind die Beweggründe der Automaten nicht leicht zu durchschauen. Sie entziehen sich der an sie geknüpften Erwartung der Produktivität und Effizienz – ergehen sich in einem selbstgenügsamen Spiel und entfalten darin ihre zum Teil anrührende und zum Teil verstörende Schönheit.

Wie in vielen ihrer Arbeiten setzt sich Judith Fegerl auch in »Tension Object« (2006) mit dem Antagonismus Natur – Maschine auseinander. Ihr Interesse am Verschmelzen von organischem und anorganischem Material zeigt sich in »Tension Object« als Verbindung von menschlichem Haar und technischem Hochspannungsgenerator. Zwanzig Zentimeter lange Haare verhüllen eine keramische Kugel, in der ein Hochspannungsgenerator bis zu 120.000 Volt zu erzeugen vermag. Infolge der elektromagnetischen Spannung erheben sich ganz allmählich einzelne Haarsträhnen, die sich sodann vollständig aufrichten, um schließlich nach wenigen Sekunden unversehens in sich zusammenzufallen. Diese technisch erzeugte Bewegung verweist insofern auf psychische Phänomene des Menschen, als gesträubtes Haar stets Ausdruck seiner Angst oder wenigstens seines Unwohlfühlens ist. Wie die Haare des Menschen auf den angst- oder furchterzeugenden Reiz quasi automatisch reagieren, werden die Haare in »Tension Object« wieder erregbar. Die physische Eigenart menschlicher Gefühlsregungen wird in Fegerls Arbeit isoliert und durch den langsamen Rhythmus der Auf- und Entladung des Haares transformiert.

Mit diesem Maschinenobjekt schafft Judith Fegerl eine Verbindung zwischen emotionaler Erregung und physikalischer Spannung.
Die Kombination von technischem und organischem Material setzt Fegerl auch in ihrer 2007 entstandenen Arbeit »Metronom« fort. Von einem mechanischen Metronom wird langes, menschliches, zu einem Zopf gebundenes Haar in gleichmäßig getaktete Schwingungen versetzt. Das gleich bleibende Tempo der mechanisch erzeugten Bewegung zeigt die Emanzipation von menschlicher Körperbewegung. Gleichzeitig markiert diese Unabhängigkeit von menschlicher/individueller Lebendigkeit umso stärker die Abhängigkeit von der Maschine. Pedantische Präzision verdeutlicht den aufgezwungenen Rhythmus. Gebrochen wird diese (scheinbar) unerschütterliche Monotonie von der Materialität des Haars selbst, denn seine feinen filigranen Fäden flattern/schwingen/schaukeln (–einer Feder gleich–) nahezu schwerelos durch die Luft. Das menschliche Haar als organisch gewachsenes Material erfährt in »Metronom«, einerseits eine Eigenständigkeit. Anderseits bedeutet seine Loslösung vom menschlichen Körper insofern auch eine Stagnation, als sein Wachstum und seine Entwicklung abbrechen. Raffiniert spielt Fegerl in dieser Arbeit mit dem Antagonismus Natur – Maschine, indem sie die Bewegung des menschlichen Haares simuliert, oder besser transformiert, denn dieses vermag wohl kaum von alleine in einem gleichmäßig getakteten Rhythmus zu pendeln.

Die komplexeste Auseinandersetzung mit der Maschine als selbsttätig bewegtes Objekt zeigt Fegerls Rauminstallation »Galatean Heritage« (2007), in der eine Rundstrickmaschine ein kontinuierlich wachsendes Stricktextil erzeugt. Diese Maschine widersetzt sich ihrer gewöhnlichen Funktion: Obwohl die Maschine ununterbrochen Strickbewegungen vollführt, bringt sie doch kein seriell produziertes Textil hervor, das im herkömmlichen Sinne verwertbar wäre. Effiziente Produktivität wird zudem durch die verlangsamte, ja kaum merkliche Geschwindigkeit negiert. Das aus Schafwolle gestrickte Textil wird zuerst gepresst, um dann durch eine ständige Drehbewegung zu einem vielfach gewunden und sich verknotenden Gebilde geformt zu werden. Infolge seiner kontinuierlichen Gewichtszunahme liegt der so entstehende abstrakte Gegenstand bald auf dem Boden. In der Installation wird durch die Tätigkeit des Strickens einerseits Aktivität vermittelt, anderseits wird durch das Gepresst- und Gewunden-Werden des Textils eine Fremdbestimmung oder wenigstens Passivität suggeriert. Diese inhaltlichen Implikationen werden von Fegerl durch die Betitelung kulturgeschichtlich verankert. Der Titel der Rauminstallation erschließt insofern ein vielschichtiges Bedeutungsfeld, als die arbeitende Maschine hierdurch mit dem in Ovids „Metamorphosen“ beschriebenen Galatea-Mythos verknüpft wird. Die vom misogynen Bildhauer Pygmalion zum Leben erweckte Elfenbeinstatue Galatea verweist einerseits auf ein bis heute ungebrochenes Bestreben nach der Erschaffung eines Menschen mittels künstlicher Produktionstechnik. Anderseits thematisiert die mythische Figur Galatea insofern männliche Phantasien, als hier der passive Ideal-Körper der Frau vom männlichen Künstlerideal geschaffen und somit stark fetischisiert wird. In »Galatean Heritage« wird nicht nur die Rolle der Frau, sondern auch die der Künstlerin reflektiert. Fegerl schafft mit ihrer Maschine die Voraussetzungen für das Produkt, greift jedoch in den eigentlichen Entstehungsprozess nicht ein. Ihre Maschineninstallation verrichtet ihr einzigartiges Werk autonom. Bewusst entkörpert Fegerl den Produktionsprozess, der weiblich konnotierte Bereiche mit vorwiegend männlichen Symbolen konfrontiert. »Galatean Heritage« zeigt Judith Fegerls Auseinandersetzung sowohl mit technischer Reproduktion natürlicher Phänomene als auch mit künstlerischen Prozessen.
 

Tags: Judith Fegerl, Li Gang