Bernhard Brungs
24 Mar - 05 May 2012
BERNHARD BRUNGS
Thoughts and Decoration
24.03.-5.05.2012
Es ist die Lebenswelt Virginia Woolfs und ihres privaten wie geistigen Umfeldes, der sich Bernhard Brungs (*1974 in Bielefeld) in seiner zweiten Einzelausstellung in der Produzentengalerie Hamburg widmet. Die berühmte englische Schriftstellerin war Mitglied der „Bloomsbury Group“, eines Zirkels von Literaten, bildenden Künstlern und Wissenschaftlern, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen wesentlichen Beitrag zur Moderne im Inselreich lieferten.
Einzeln oder in Gruppen bevölkern die Protagonisten der „Bloomsbury Group“ die neuen Bilder, die nach eingehenden Recherchen Bernhard Brungs seit 2010 in einer aufwändigen Maltechnik in Öl auf Kreidegrund entstanden sind. Die unterschiedlichen Szenen sind von einer eigentümlichen Spannung getragen, die charakteristisch für die Bilder des Künstlers ist. Beiläufigkeit mischt sich mit einer kaum zu bestimmenden Schwere, die mit der Maltechnik korrespondiert, die mit ihren feinen Nuancierungen der Farben und Pinselstriche fast einer Zeichnung ähnelt. Vexierbildartig bewegt sich auch das Augenscheinliche der Bilder zwischen der äußeren, physischen Gestalt der Dinge und einer inneren, seelischen Form.
Bernhard Brungs liefert keine Illustrationen zum Leben Virginia Woolfs, ihrem Mann Leonard, ihrer Schwester Vanessa Bell, dem Ökonomen John Maynard Keynes oder den anderen Mitgliedern der Gruppe. Vielmehr handelt es sich um mögliche Momente des Daseins oder des kreativ-intellektuellen Miteinanders. Zum Teil handelt es sich um Begegnungen, die nur im Geiste stattfanden - wie die zwischen Keynes und Silvio Gesell, einem Mitglied der Obstbaugenossenschaft Eden, der sich mit der Idee einer stabilen Währung beschäftigt hatte. Diesen geistigen Verbindungen entsprechen auch komplexe erotische, teils symbiontische Konstellationen, wie derjenigen Vanessa Bells mit dem homosexuellen Maler Duncan Grant, eine Beziehung, aus der auch ein Kind hervorging. Grant wiederum war der Cousin des eloquenten Schriftstellers Lytton Strachey, der mit der Malerin Dora Carrinton und deren Mann Ralph Partridge in einer Dreiecksbeziehung lebte.
Ein Sonderthema innerhalb der „Bloomsbury Group“ bildet das Unternehmen „Omega Workshops Ltd.“, eine Firma, die 1913 von dem Kunstkritiker und Maler Roger Fry mit Unterstützung Duncan Grants und Vanessa Bells gegründet wurde. In kunstgewerblichen Entwürfen suchten die hier tätigen Gestalter nach einer Überwindung der Grenze zwischen angewandter und freier Kunst. Bernhard Brungs greift die Werkstattsituation nicht nur bildmäßig auf, sondern auch durch eine Rauminstallation mit Stellwänden, auf denen Musterentwürfe des Omega Workshops zitiert werden.
In die dritte Dimension dehnen sich auch die Skulpturen aus, die der Künstler im Zuge seiner Auseinandersetzung mit der Person Virginia Woolfs aus Keramik und Wachs geformt hat. Genauso wie eine umfangreiche Folge von Aquarellen sind diese Werke Studien der Mimik der Literatin, die ein ganzes Spektrum innerer Befindlichkeiten visuell subtil zum Sprechen bringen.
Stilistisch und thematisch bewusst auf eine vergangene Epoche zurückgreifend ist der Standpunkt, von dem aus Bernhard Brungs den Blick auf diesen inzwischen historisch gewordenen Kreis zurückblickt, ein gegenwärtiger – zeitgenössisch, vielleicht gerade durch die Wendung in einen heroischen Zeitabschnitt der Moderne. Es handelt sich um keine Rekonstruktion von dem, was genau so einmal war, sondern um eine einfühlende Konstruktion dessen, was aus heutiger Sicht auf die Personen und ihre Handlungen denkbar oder in der Fantasie vorstellbar wäre. Schließlich zeigt sich die Annäherung selbst unübersehbar von Sympathie getragen.
Thomas W. Kuhn, Harlem 2012
Thoughts and Decoration
24.03.-5.05.2012
Es ist die Lebenswelt Virginia Woolfs und ihres privaten wie geistigen Umfeldes, der sich Bernhard Brungs (*1974 in Bielefeld) in seiner zweiten Einzelausstellung in der Produzentengalerie Hamburg widmet. Die berühmte englische Schriftstellerin war Mitglied der „Bloomsbury Group“, eines Zirkels von Literaten, bildenden Künstlern und Wissenschaftlern, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen wesentlichen Beitrag zur Moderne im Inselreich lieferten.
Einzeln oder in Gruppen bevölkern die Protagonisten der „Bloomsbury Group“ die neuen Bilder, die nach eingehenden Recherchen Bernhard Brungs seit 2010 in einer aufwändigen Maltechnik in Öl auf Kreidegrund entstanden sind. Die unterschiedlichen Szenen sind von einer eigentümlichen Spannung getragen, die charakteristisch für die Bilder des Künstlers ist. Beiläufigkeit mischt sich mit einer kaum zu bestimmenden Schwere, die mit der Maltechnik korrespondiert, die mit ihren feinen Nuancierungen der Farben und Pinselstriche fast einer Zeichnung ähnelt. Vexierbildartig bewegt sich auch das Augenscheinliche der Bilder zwischen der äußeren, physischen Gestalt der Dinge und einer inneren, seelischen Form.
Bernhard Brungs liefert keine Illustrationen zum Leben Virginia Woolfs, ihrem Mann Leonard, ihrer Schwester Vanessa Bell, dem Ökonomen John Maynard Keynes oder den anderen Mitgliedern der Gruppe. Vielmehr handelt es sich um mögliche Momente des Daseins oder des kreativ-intellektuellen Miteinanders. Zum Teil handelt es sich um Begegnungen, die nur im Geiste stattfanden - wie die zwischen Keynes und Silvio Gesell, einem Mitglied der Obstbaugenossenschaft Eden, der sich mit der Idee einer stabilen Währung beschäftigt hatte. Diesen geistigen Verbindungen entsprechen auch komplexe erotische, teils symbiontische Konstellationen, wie derjenigen Vanessa Bells mit dem homosexuellen Maler Duncan Grant, eine Beziehung, aus der auch ein Kind hervorging. Grant wiederum war der Cousin des eloquenten Schriftstellers Lytton Strachey, der mit der Malerin Dora Carrinton und deren Mann Ralph Partridge in einer Dreiecksbeziehung lebte.
Ein Sonderthema innerhalb der „Bloomsbury Group“ bildet das Unternehmen „Omega Workshops Ltd.“, eine Firma, die 1913 von dem Kunstkritiker und Maler Roger Fry mit Unterstützung Duncan Grants und Vanessa Bells gegründet wurde. In kunstgewerblichen Entwürfen suchten die hier tätigen Gestalter nach einer Überwindung der Grenze zwischen angewandter und freier Kunst. Bernhard Brungs greift die Werkstattsituation nicht nur bildmäßig auf, sondern auch durch eine Rauminstallation mit Stellwänden, auf denen Musterentwürfe des Omega Workshops zitiert werden.
In die dritte Dimension dehnen sich auch die Skulpturen aus, die der Künstler im Zuge seiner Auseinandersetzung mit der Person Virginia Woolfs aus Keramik und Wachs geformt hat. Genauso wie eine umfangreiche Folge von Aquarellen sind diese Werke Studien der Mimik der Literatin, die ein ganzes Spektrum innerer Befindlichkeiten visuell subtil zum Sprechen bringen.
Stilistisch und thematisch bewusst auf eine vergangene Epoche zurückgreifend ist der Standpunkt, von dem aus Bernhard Brungs den Blick auf diesen inzwischen historisch gewordenen Kreis zurückblickt, ein gegenwärtiger – zeitgenössisch, vielleicht gerade durch die Wendung in einen heroischen Zeitabschnitt der Moderne. Es handelt sich um keine Rekonstruktion von dem, was genau so einmal war, sondern um eine einfühlende Konstruktion dessen, was aus heutiger Sicht auf die Personen und ihre Handlungen denkbar oder in der Fantasie vorstellbar wäre. Schließlich zeigt sich die Annäherung selbst unübersehbar von Sympathie getragen.
Thomas W. Kuhn, Harlem 2012