Gustav Kluge
09 Sep - 01 Nov 2014
Gustav Kluge
Zwei siamesische Zwillinge, die sich in die Augen sehen mit Hilfe zweier Spiegel, 1982
Oil on canvas
200 x 160 cm | 200 x 145 cm
Zwei siamesische Zwillinge, die sich in die Augen sehen mit Hilfe zweier Spiegel, 1982
Oil on canvas
200 x 160 cm | 200 x 145 cm
GUSTAV KLUGE
Doppeltafeln
9 September – 1 November 2014
Doppeltafeln bilden eine Werkgruppe von Gustav Kluge, mit denen er sich seit mehr als dreißig Jahren bildnerisch auseinandersetzt. Seine aktuelle Einzelpräsentation bildet den Auftakt der Ausstellungssaison 2014/2015, in der von den bisher circa zwanzig Doppeltafeln des Künstlers acht aus den Jahren von 1982 bis heute gezeigt werden. Doppeltafeln sind eine Weiterentwicklung der Diptychen wie es aus der spätgotischen Malerei und Renaissance bekannt ist, die als Altar – und Andachtsbilder eingesetzt wurden, um theologische Zusammenhänge zu verdeutlichen. In der Kunst des 20. Jahrhunderts wurde das Diptychon als bildliche Erzählform zwischen Märchen und Mythologie oder zwischen historischer und persönlicher Erinnerung sowie als Pathosformel aufgegriffen, etwa von Max Beckmann. Die Doppeltafeln Gustav Kluges kreisen thematisch um die Grundformen des Tafelbildes selbst: Trennung, Teilung und Doppelung des Motivs. Die Bildtafel als mediale Eigenart der Malerei, die sich unabhängig von Inhalten und Konzepten zur Geltung bringt, wird sichtbar.
In der Arbeit »Zwei rückseitig verwachsene siamesische Zwillinge, die sich in die Augen sehen, mit Hilfe zweier Spiegel« (1982) steht die Doppelung im Fokus des Bildes, denn hier findet gleichsam eine zweifache Doppelung statt: Die Doppelung der Figur im Zwilling, sowie die Doppelung der Figur im Spiegelbild. Die Trennlinie der beiden Tafeln läuft durch die anatomische Brücke der zusammengewachsenen Brüder. Letztere wird nicht dargestellt, sodass der Blick des Betrachters weg von der Sensation auf die paradoxe Kommunikation gelenkt wird.
»Dänisch Roulette« (2014) paraphrasiert das tödliche Glücksspiel mit einem Trommelrevolver, in dessen immer neu routierender Trommel nur eine Kugel steckt: Zwei Wassergläser stehen auf jeweils einem Kinderstuhl gegenüber. Im linken Wasserglas liegt eine Holunderbeere, im rechten ein schwerer Metallkörper, den der Titel als Granate ausweist. Die mögliche Entscheidung, lieber aus dem linken Glas zu trinken, wird dadurch erschwert, dass das linke Wasserglas in einer Igelhaut steckt.
Das direkte Nebeneinander von zwei zusammengehörenden aber doch klar voneinander getrennten Bildtafeln führt zu einem vergleichendem Blick. Ständig werden beide Bildtafeln miteinander ins Verhältnis gesetzt und das verbindende sowie trennende Moment gesucht.
Ein besondereres Spannungsverhältnis zeigt die Doppeltafel »Verstellbares Denkmal(linke Tafel Long John, rechte Tafel Little Cesar)« (2014). Es entsteht nicht allein durch die unterschiedlichen, stilllebenartig dargestellten Objekte, sondern vor allem durch die Proportionen der Bildtafeln, die sich zu den dargestellten Objekten diametral entgegengesetzt verhalten und diese so noch kontrapunktieren.
Bei den Werken »Snake Fake« (2012) mit einer Gesamtlänge von 5,65 m und Einhorn (2014) werden die Doppeltafeln als Schnitt im Bild genutzt, da das einheitliche Motiv durch einen Bildschnitt geteilt wird. Dieser eröffnet einen Blick auf das „Dahinterliegende“ hinter dem Bildmotiv. Im Fall von »Snake Fake« auf dessen Überlänge und die Doppelung des Trägers, der verknoteten und der schlangenähnlichen Schnüre. Der Schnitt in »Einhorn« trennt das auf die Maskenstirn aufgesetzte Horn im Verhältnis 1:7. Es verstärkt die Willkürlichkeit der Interpretation des aufgesetzten Holzstockes als Stirnhorn.
Seit 2013 arbeitet Gustav Kluge an der Serie der Abbruchhäuser, deren meisten Motive einen konkreten örtlichen Bezug haben. Die Doppeltafel »Meeting (Interconti-Nizzapalais)« (2014) erfasst auf der linken Tafel das ehemalige Hotel Interconti in Hamburg in der Mitte des Rückbaus. Die rechte Tafel zeigt das Nizzapalais. Die Abbruchflächen der beiden rückgebauten Architekturen sind einander zugekehrt. Sie verweisen auf die vielen medialen Bilder von Hausruinen, die oft nur schwer unterscheidbar Kriegsfolgen, Naturkatastrophen und Stadterneuerung dokumentieren.
Die Konfrontation von Motiv, Bildräumlichkeit und maltechnischen Entscheidungen zwischen zwei Tafeln schaffen Intervalle und damit neue Ebenen für die Inhalte und Gedanken, die im Werk Kluges Gestalt gewinnen. Gustav Kluge nutzt das Selbstreferentielle der Doppeltafeln um existentielle und anthropologische Motive zu steigern, in Verbindung mit der Erfahrung, dass die Grenzlinien der Tafeln auch Anschlüsse an andere, neue Bilder darstellen.
Arbeiten von Gustav Kluge sind in zahlreichen privaten, als auch öffentlichen Sammlungen, wie beispielsweise der Hamburger Kunsthalle oder dem St. Louis Art Museum, Missouri, vertreten.
Doppeltafeln
9 September – 1 November 2014
Doppeltafeln bilden eine Werkgruppe von Gustav Kluge, mit denen er sich seit mehr als dreißig Jahren bildnerisch auseinandersetzt. Seine aktuelle Einzelpräsentation bildet den Auftakt der Ausstellungssaison 2014/2015, in der von den bisher circa zwanzig Doppeltafeln des Künstlers acht aus den Jahren von 1982 bis heute gezeigt werden. Doppeltafeln sind eine Weiterentwicklung der Diptychen wie es aus der spätgotischen Malerei und Renaissance bekannt ist, die als Altar – und Andachtsbilder eingesetzt wurden, um theologische Zusammenhänge zu verdeutlichen. In der Kunst des 20. Jahrhunderts wurde das Diptychon als bildliche Erzählform zwischen Märchen und Mythologie oder zwischen historischer und persönlicher Erinnerung sowie als Pathosformel aufgegriffen, etwa von Max Beckmann. Die Doppeltafeln Gustav Kluges kreisen thematisch um die Grundformen des Tafelbildes selbst: Trennung, Teilung und Doppelung des Motivs. Die Bildtafel als mediale Eigenart der Malerei, die sich unabhängig von Inhalten und Konzepten zur Geltung bringt, wird sichtbar.
In der Arbeit »Zwei rückseitig verwachsene siamesische Zwillinge, die sich in die Augen sehen, mit Hilfe zweier Spiegel« (1982) steht die Doppelung im Fokus des Bildes, denn hier findet gleichsam eine zweifache Doppelung statt: Die Doppelung der Figur im Zwilling, sowie die Doppelung der Figur im Spiegelbild. Die Trennlinie der beiden Tafeln läuft durch die anatomische Brücke der zusammengewachsenen Brüder. Letztere wird nicht dargestellt, sodass der Blick des Betrachters weg von der Sensation auf die paradoxe Kommunikation gelenkt wird.
»Dänisch Roulette« (2014) paraphrasiert das tödliche Glücksspiel mit einem Trommelrevolver, in dessen immer neu routierender Trommel nur eine Kugel steckt: Zwei Wassergläser stehen auf jeweils einem Kinderstuhl gegenüber. Im linken Wasserglas liegt eine Holunderbeere, im rechten ein schwerer Metallkörper, den der Titel als Granate ausweist. Die mögliche Entscheidung, lieber aus dem linken Glas zu trinken, wird dadurch erschwert, dass das linke Wasserglas in einer Igelhaut steckt.
Das direkte Nebeneinander von zwei zusammengehörenden aber doch klar voneinander getrennten Bildtafeln führt zu einem vergleichendem Blick. Ständig werden beide Bildtafeln miteinander ins Verhältnis gesetzt und das verbindende sowie trennende Moment gesucht.
Ein besondereres Spannungsverhältnis zeigt die Doppeltafel »Verstellbares Denkmal(linke Tafel Long John, rechte Tafel Little Cesar)« (2014). Es entsteht nicht allein durch die unterschiedlichen, stilllebenartig dargestellten Objekte, sondern vor allem durch die Proportionen der Bildtafeln, die sich zu den dargestellten Objekten diametral entgegengesetzt verhalten und diese so noch kontrapunktieren.
Bei den Werken »Snake Fake« (2012) mit einer Gesamtlänge von 5,65 m und Einhorn (2014) werden die Doppeltafeln als Schnitt im Bild genutzt, da das einheitliche Motiv durch einen Bildschnitt geteilt wird. Dieser eröffnet einen Blick auf das „Dahinterliegende“ hinter dem Bildmotiv. Im Fall von »Snake Fake« auf dessen Überlänge und die Doppelung des Trägers, der verknoteten und der schlangenähnlichen Schnüre. Der Schnitt in »Einhorn« trennt das auf die Maskenstirn aufgesetzte Horn im Verhältnis 1:7. Es verstärkt die Willkürlichkeit der Interpretation des aufgesetzten Holzstockes als Stirnhorn.
Seit 2013 arbeitet Gustav Kluge an der Serie der Abbruchhäuser, deren meisten Motive einen konkreten örtlichen Bezug haben. Die Doppeltafel »Meeting (Interconti-Nizzapalais)« (2014) erfasst auf der linken Tafel das ehemalige Hotel Interconti in Hamburg in der Mitte des Rückbaus. Die rechte Tafel zeigt das Nizzapalais. Die Abbruchflächen der beiden rückgebauten Architekturen sind einander zugekehrt. Sie verweisen auf die vielen medialen Bilder von Hausruinen, die oft nur schwer unterscheidbar Kriegsfolgen, Naturkatastrophen und Stadterneuerung dokumentieren.
Die Konfrontation von Motiv, Bildräumlichkeit und maltechnischen Entscheidungen zwischen zwei Tafeln schaffen Intervalle und damit neue Ebenen für die Inhalte und Gedanken, die im Werk Kluges Gestalt gewinnen. Gustav Kluge nutzt das Selbstreferentielle der Doppeltafeln um existentielle und anthropologische Motive zu steigern, in Verbindung mit der Erfahrung, dass die Grenzlinien der Tafeln auch Anschlüsse an andere, neue Bilder darstellen.
Arbeiten von Gustav Kluge sind in zahlreichen privaten, als auch öffentlichen Sammlungen, wie beispielsweise der Hamburger Kunsthalle oder dem St. Louis Art Museum, Missouri, vertreten.