Karina Nimmerfall
A New Room Of One’s Own
10 Nov 2018 - 18 Jan 2019
Karina Nimmerfall, A New Room Of One’s Own, exhibition view at Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin, 2018
Karina Nimmerfall, A New Room Of One’s Own, exhibition view at Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin, 2018
Karina Nimmerfall, A New Room Of One’s Own, exhibition view at Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin, 2018
Karina Nimmerfall, A New Room Of One’s Own, exhibition view at Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin, 2018
Karina Nimmerfall, A New Room Of One’s Own, exhibition view at Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin, 2018
Karina Nimmerfall, A New Room Of One’s Own, exhibition view at Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin, 2018
Karina Nimmerfall, A New Room Of One’s Own, exhibition view at Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin, 2018
Karina Nimmerfall, A New Room Of One’s Own, exhibition view at Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin, 2018
Karina Nimmerfall, A New Room Of One’s Own, exhibition view at Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin, 2018
Karina Nimmerfall, A New Room Of One’s Own, exhibition view at Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin, 2018
KARINA NIMMERFALL
A New Room Of One’s Own
10 November 2018 – 18 January 2019
The exhibition A New Room of One’s Own unites two projects by Karina Nimmerfall on the relationship of women to housing, work, politics and urban planning. Not without reason, the title refers to Virginia Woolf’s groundbreaking essay on feminist literary criticism and combines the two different approaches of Nimmerfall’s work. Presented are parts of the extensive photo-text series Indirect Interviews with Women. These are based on a study by the British organization Mass Observation, which explicitly surveyed women in 1941 – when air strikes of the German Airforce destroyed large parts of London – on their living conditions and ideas about housing, work and life. The recent New Room of One’s Own series consists of large-format computer-generated images in a large-scale, multi-part installation. It analyzes current real estate portfolios and combines their imagery with the signs and codes of radical women’s rights movements and the history of feminism – as well as their commodification.
18.01.2019 19:30 Lecture by Irene Nierhaus and talk with the artist
*Karina Nimmerfall is a visual artist living in Berlin. Numerous exhibitions and exhibition participations a. o. Camera Austria, Graz (2018), MAK Center for Art and Architecture, Los Angeles (2016), BAWAG Contemporary, Vienna; Kasseler Kunstverein (2009); Gothenburg Konsthall, Bucharest Biennale 3 (2008), Landesgalerie Linz (2007) and 8th Havana Biennale (2003). Her work has received many awards, most recently the scholarship for contemporary photography of the Alfried Krupp von Bohlen and Halbach Foundation (2018).
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Die Ausstellung A New Room of One’s Own bringt zwei Projekte von Karina Nimmerfall über das Verhältnis von Frauen zu Wohnen, Arbeit, Politik und Stadtplanung zusammen. Nicht ohne Grund verweist der Titel auf Virginia Woolfs bahnbrechenden Essay zur feministischen Literaturkritik und verbindet die beiden unterschiedlichen Ansätze von Nimmerfalls Arbeiten. Gezeigt werden Teile der umfangreichen Foto-Text-Serie Indirect Interviews with Women. Diese basiert auf einer Studie der britischen Organisation Mass Observation, die Frauen 1941 – als die Angriffe der deutschen Luftwaffe große Teile Londons zerstörten – explizit zu ihren Lebensumständen und Vorstellungen zum Thema Wohnen, Arbeit und Leben befragten. Die neue Serie A New Room of One’s Own besteht aus großformatigen computergenerierten Bildern in einer raumgreifenden, mehrteiligen Installation. Sie analysiert aktuelle Immobilienwerbeportfolios und verbindet deren Bildersprache mit den Zeichen und Codes radikaler Frauenrechtsbewegungen und der Geschichte des Feminismus – sowie deren Kommodifizierung.
A New Room of One’s Own untersucht in einer speziell für die Ausstellung entwickelten Raumdisplay aktuelle (Luxus-)Wohnbauprojekte in städtischen Metropolen; präziser solche, deren medialer oder archtektonischer Auftritt auf historischen Stilmotiven basiert, die aristokratischer Wohnkultur entlehnt sind. Tatsächlich kann neben den etablierten Konzepten der Moderne, wie etwa große Glasfassaden und offene Raumgestaltung, mittlerweile eine globale Tendenz in der Architektur beobachtet werden, auf üppige Innendekorationen im Stil des 18. und frühen 19. Jahrhunderts zurückzugreifen. Ob Berlin (Kronprinzengärten), New York (Baccarat) oder London (One-Hyde-Park, Kensington Row): in den Werbeportfolios dieser “rekonstruierten Fiktionen” (Niklas Maak) „schweben“ Frauen durch üppig ausgestattete Räume, entspannen auf der Dachterrasse, shoppen in luxuriösen Malls und treffen abends ihre Lebenspartner in einem nahe gelegenen exklusiven Restaurant. Erkennbar nimmt die historisierende Gestaltung dieser Visionen eines perfekten Lebens Bezug auf die Ideale einer Epoche, die im systemischen Widerspruch von Absolutismus, beginnender Industrialisierung und ersten Auswüchsen des Finanzkapitalismus die die Idylle zum Lebensmodell erhob.
Ausgehend von diesen Beobachtungen und Bezug nehmend auf Imagefilme und Portfolios global operierender Bauunternehmen, kombiniert die dreiteilige Installation großformatige, computergenerierte Bilder von Innenräumen mit einer auf die architektonische Situation des ursprünglich als Wohnung konzipierten Ausstellungsraumes bezogenen, offenen Trockenbauwandkonstruktionen zu 3-dimensionalen Tableaux. Die Darstellung der Innenräume greift dabei auf gängige 3-D-Visualisierungspraktiken der Immobilienbranche zurück, jedoch mit einer subversiven Wendung: Die Ikonografie der Bilder enthüllt Details, die sich auf die Geschichte politisch engagierter Frauen und radikale Frauenbewegungen bezieht.
So sind in diesen, neben einschlägiger historischer und aktueller feministischer Literatur, Zeitschriften, Texte und Theorien, auch Verweise auf feministische Ikonen wie etwa Théroigne de Méricourt, Charlotte Corday, Emmeline Pankhurst, Rosa Luxemburg, Ellen Willis und Kate Sheppard, sowie signifikante Arbeiten der Künstlerinnen Mary Kelly, Sanja Iveković und Ulrike Rosenbach zu finden: Interventionen welche die glatte Ästhetik des Bildes hinterfragen und die konventionellen Repräsentationen und Darstellungsmuster der Immobilienindustrie sowie ihre sozialen Werte unterlaufen. Gleichzeitig verweisen die in industrielle Muster übertragene, radikale Symbole auf aktuelle Debatten um die Problematik der Kommodifizierung des feministischen Diskurses. So besteht beisielsweise das Muster eines Teppichs aus dem Symbol des Roten Frauen und Mädchenbund und die Gestaltung der Tapeten aus den Motiven einer Suffragetten- Anstecknadel, der entwurzelten Rose des legendären Covers der Feminist Revolution (einer Publikation der radikalen feministischen Gruppe Redstockings), der Grafik des Plakats La jouissance est au bout de vos doigts der französischen Frauenbewegung sowie dem Akronym NOW der National Organisation for Women.
Die in der Ausstellung in Auszügen gezeigte 65-teilige Foto-Text Serie Indirect Interviews with Women basiert – ausgehend von historischen Aufzeichnungen des interdisziplinären, britischen Sozialforschungsprojekts Mass Observation von 1937 (einer Bewegung die auf den Umstand reagierte, dass das Alltagsleben durchschnittlicher Bürger*innen weder in den Medien noch im politischen System Großbritanniens repräsentiert waren) – auf Interviews mit Frauen über ihr Verhältnis zu Wohnen, Arbeit und Politik sowie ihren Vorstellungen zum Wiederaufbau der Stadt. Die Interviews wurden 1941 in London und Umgebung von einer Gruppe Interviewerinnen für Mass-Observation geführt und von der Advertising Service Guild als Teil ihrer sozialen Mission zur Unterstützung der Kriegsanstrengungen bzw. des Wiederaufbaus in Auftrag gegeben.
Die Serie kombiniert Transskripte der originalen Interviews aus dem Archiv – dessen Bearbeitung samt Kommentaren, Quellen und Notizen mittels Korrekturfunktion des Programms Microsoft Word sichtbar gemacht wird – mit aktuellen Fotografien der damals untersuchten Wohngegenden. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte und den heute noch sichtbaren Auswirkungen auf die urbane Geografie der Stadt öffnet dabei den Blick auf eine Vielfältigkeit an Räumen: Die aktuellen Orte mit ihren baulichen Strukturen; das Archiv mit seinen gesammelten und katalogisierten Dokumenten, und den imaginierten Raum bestimmter kultureller, ideologischer und politischer Vorstellungen und Visionen.
*Karina Nimmerfall ist bildende Künstlerin und lebt in Berlin. Zahlreiche Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen u. a. Camera Austria, Graz (2018), MAK Center for Art and Architecture, Los Angeles (2016), BAWAG Contemporary, Wien; Kasseler Kunstverein (2009); Göteborgs Konsthall, Bukarest Biennale 3 (2008), Landesgalerie Linz (2007) und 8. Havanna Biennale (2003). Ihre Arbeit wurde vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Stipendium für Zeitgenössische Fotografie der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung (2018).
A New Room Of One’s Own
10 November 2018 – 18 January 2019
The exhibition A New Room of One’s Own unites two projects by Karina Nimmerfall on the relationship of women to housing, work, politics and urban planning. Not without reason, the title refers to Virginia Woolf’s groundbreaking essay on feminist literary criticism and combines the two different approaches of Nimmerfall’s work. Presented are parts of the extensive photo-text series Indirect Interviews with Women. These are based on a study by the British organization Mass Observation, which explicitly surveyed women in 1941 – when air strikes of the German Airforce destroyed large parts of London – on their living conditions and ideas about housing, work and life. The recent New Room of One’s Own series consists of large-format computer-generated images in a large-scale, multi-part installation. It analyzes current real estate portfolios and combines their imagery with the signs and codes of radical women’s rights movements and the history of feminism – as well as their commodification.
18.01.2019 19:30 Lecture by Irene Nierhaus and talk with the artist
*Karina Nimmerfall is a visual artist living in Berlin. Numerous exhibitions and exhibition participations a. o. Camera Austria, Graz (2018), MAK Center for Art and Architecture, Los Angeles (2016), BAWAG Contemporary, Vienna; Kasseler Kunstverein (2009); Gothenburg Konsthall, Bucharest Biennale 3 (2008), Landesgalerie Linz (2007) and 8th Havana Biennale (2003). Her work has received many awards, most recently the scholarship for contemporary photography of the Alfried Krupp von Bohlen and Halbach Foundation (2018).
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Die Ausstellung A New Room of One’s Own bringt zwei Projekte von Karina Nimmerfall über das Verhältnis von Frauen zu Wohnen, Arbeit, Politik und Stadtplanung zusammen. Nicht ohne Grund verweist der Titel auf Virginia Woolfs bahnbrechenden Essay zur feministischen Literaturkritik und verbindet die beiden unterschiedlichen Ansätze von Nimmerfalls Arbeiten. Gezeigt werden Teile der umfangreichen Foto-Text-Serie Indirect Interviews with Women. Diese basiert auf einer Studie der britischen Organisation Mass Observation, die Frauen 1941 – als die Angriffe der deutschen Luftwaffe große Teile Londons zerstörten – explizit zu ihren Lebensumständen und Vorstellungen zum Thema Wohnen, Arbeit und Leben befragten. Die neue Serie A New Room of One’s Own besteht aus großformatigen computergenerierten Bildern in einer raumgreifenden, mehrteiligen Installation. Sie analysiert aktuelle Immobilienwerbeportfolios und verbindet deren Bildersprache mit den Zeichen und Codes radikaler Frauenrechtsbewegungen und der Geschichte des Feminismus – sowie deren Kommodifizierung.
A New Room of One’s Own untersucht in einer speziell für die Ausstellung entwickelten Raumdisplay aktuelle (Luxus-)Wohnbauprojekte in städtischen Metropolen; präziser solche, deren medialer oder archtektonischer Auftritt auf historischen Stilmotiven basiert, die aristokratischer Wohnkultur entlehnt sind. Tatsächlich kann neben den etablierten Konzepten der Moderne, wie etwa große Glasfassaden und offene Raumgestaltung, mittlerweile eine globale Tendenz in der Architektur beobachtet werden, auf üppige Innendekorationen im Stil des 18. und frühen 19. Jahrhunderts zurückzugreifen. Ob Berlin (Kronprinzengärten), New York (Baccarat) oder London (One-Hyde-Park, Kensington Row): in den Werbeportfolios dieser “rekonstruierten Fiktionen” (Niklas Maak) „schweben“ Frauen durch üppig ausgestattete Räume, entspannen auf der Dachterrasse, shoppen in luxuriösen Malls und treffen abends ihre Lebenspartner in einem nahe gelegenen exklusiven Restaurant. Erkennbar nimmt die historisierende Gestaltung dieser Visionen eines perfekten Lebens Bezug auf die Ideale einer Epoche, die im systemischen Widerspruch von Absolutismus, beginnender Industrialisierung und ersten Auswüchsen des Finanzkapitalismus die die Idylle zum Lebensmodell erhob.
Ausgehend von diesen Beobachtungen und Bezug nehmend auf Imagefilme und Portfolios global operierender Bauunternehmen, kombiniert die dreiteilige Installation großformatige, computergenerierte Bilder von Innenräumen mit einer auf die architektonische Situation des ursprünglich als Wohnung konzipierten Ausstellungsraumes bezogenen, offenen Trockenbauwandkonstruktionen zu 3-dimensionalen Tableaux. Die Darstellung der Innenräume greift dabei auf gängige 3-D-Visualisierungspraktiken der Immobilienbranche zurück, jedoch mit einer subversiven Wendung: Die Ikonografie der Bilder enthüllt Details, die sich auf die Geschichte politisch engagierter Frauen und radikale Frauenbewegungen bezieht.
So sind in diesen, neben einschlägiger historischer und aktueller feministischer Literatur, Zeitschriften, Texte und Theorien, auch Verweise auf feministische Ikonen wie etwa Théroigne de Méricourt, Charlotte Corday, Emmeline Pankhurst, Rosa Luxemburg, Ellen Willis und Kate Sheppard, sowie signifikante Arbeiten der Künstlerinnen Mary Kelly, Sanja Iveković und Ulrike Rosenbach zu finden: Interventionen welche die glatte Ästhetik des Bildes hinterfragen und die konventionellen Repräsentationen und Darstellungsmuster der Immobilienindustrie sowie ihre sozialen Werte unterlaufen. Gleichzeitig verweisen die in industrielle Muster übertragene, radikale Symbole auf aktuelle Debatten um die Problematik der Kommodifizierung des feministischen Diskurses. So besteht beisielsweise das Muster eines Teppichs aus dem Symbol des Roten Frauen und Mädchenbund und die Gestaltung der Tapeten aus den Motiven einer Suffragetten- Anstecknadel, der entwurzelten Rose des legendären Covers der Feminist Revolution (einer Publikation der radikalen feministischen Gruppe Redstockings), der Grafik des Plakats La jouissance est au bout de vos doigts der französischen Frauenbewegung sowie dem Akronym NOW der National Organisation for Women.
Die in der Ausstellung in Auszügen gezeigte 65-teilige Foto-Text Serie Indirect Interviews with Women basiert – ausgehend von historischen Aufzeichnungen des interdisziplinären, britischen Sozialforschungsprojekts Mass Observation von 1937 (einer Bewegung die auf den Umstand reagierte, dass das Alltagsleben durchschnittlicher Bürger*innen weder in den Medien noch im politischen System Großbritanniens repräsentiert waren) – auf Interviews mit Frauen über ihr Verhältnis zu Wohnen, Arbeit und Politik sowie ihren Vorstellungen zum Wiederaufbau der Stadt. Die Interviews wurden 1941 in London und Umgebung von einer Gruppe Interviewerinnen für Mass-Observation geführt und von der Advertising Service Guild als Teil ihrer sozialen Mission zur Unterstützung der Kriegsanstrengungen bzw. des Wiederaufbaus in Auftrag gegeben.
Die Serie kombiniert Transskripte der originalen Interviews aus dem Archiv – dessen Bearbeitung samt Kommentaren, Quellen und Notizen mittels Korrekturfunktion des Programms Microsoft Word sichtbar gemacht wird – mit aktuellen Fotografien der damals untersuchten Wohngegenden. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte und den heute noch sichtbaren Auswirkungen auf die urbane Geografie der Stadt öffnet dabei den Blick auf eine Vielfältigkeit an Räumen: Die aktuellen Orte mit ihren baulichen Strukturen; das Archiv mit seinen gesammelten und katalogisierten Dokumenten, und den imaginierten Raum bestimmter kultureller, ideologischer und politischer Vorstellungen und Visionen.
*Karina Nimmerfall ist bildende Künstlerin und lebt in Berlin. Zahlreiche Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen u. a. Camera Austria, Graz (2018), MAK Center for Art and Architecture, Los Angeles (2016), BAWAG Contemporary, Wien; Kasseler Kunstverein (2009); Göteborgs Konsthall, Bukarest Biennale 3 (2008), Landesgalerie Linz (2007) und 8. Havanna Biennale (2003). Ihre Arbeit wurde vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Stipendium für Zeitgenössische Fotografie der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung (2018).