Sprengel Museum

Helen Levitt

10 Feb - 25 May 2008

© Helen Levitt
New York 1940, 35,4 x 27,9 cm, Silbergelatine Baryt
»Spectrum«
Internationaler Preis für Fotografie der Stiftung Niedersachsen:
HELEN LEVITT

10. Februar 2008 – 25. Mai 2008

Damit wird eine Fotografin geehrt, der in der Geschichte der Street Photography eine besondere Rolle zukommt. Helen Levitt fotografiert – ausgenommen jene Arbeiten, die 1941 auf einer Reise nach Mexiko entstanden – nahezu ausschließlich in den ihr vertrauten Straßenzügen der Lower East Side und der Bronx, in Harlem und Brooklyn. Über Jahrzehnte hinweg richtet sie ihre Kamera auf die hier lebenden Menschen. Was sie interessiert, ist das alltägliche Schauspiel des Miteinander: Kinder, Frauen und Männer, Junge und Alte, die unterwegs sind, miteinander spielen oder auf etwas warten, die sich begegnen, beieinander stehen oder sitzen, miteinander lachen oder sich streiten und versöhnen. Die Momente, die Helen Levitt festhält, sind von großer, ganz und gar unsentimentaler Poesie. Der scheinbaren Unsichtbarkeit der Fotografin und ihrer Aufmerksamkeit für Details und Nuancen entspringen Bilder von ebenso intensiver wie sensibler nahezu tänzerischer Rhythmik. Levitt findet in der harten Realität dieser Quartiere eine Ebene des Spiels, der Imagination und der selbstvergessenen, unbewussten Emotionen und Affekte. »Die Ästhetik«, sagt sie, »ist bereits in der Wirklichkeit vorhanden.«

Helen Levitt entstammt einem russisch-jüdischen Elternhaus und wächst in Brooklyn in einer ungezwungenen, an Literatur, Theater und Film interessierten Atmosphäre auf. Nachdem sie die High School ein Jahr vor dem Abschluss gelangweilt verlässt, lernt sie für einige Zeit bei einem mit der Mutter befreundeten Atelierfotografen. Nach ihrem Umzug trifft sie in Manhattan Mitte der 1930er Jahre den Fotografen Walker Evans. Wenig später lernt sie Henri Cartier-Bresson kennen, den sie auf seinen fotografischen Streifzügen durch die Stadt begleitet. Ausgerüstet mit einer Leica beginnt Levitt 1936 ernsthaft zu fotografieren. Evans, mit dem sie die Dunkelkammer teilt und gemeinsam fotografiert, und der Dichter James Agee stehen ihr in diesen Anfängen als Freunde zur Seite. Dank des Interesses Luis Buñuels findet sie Beschäftigung beim Film. Bis in die 1960er Jahre wird sie vor allem auf diese Weise ihren Unterhalt bestreiten. Gemeinsam mit Agee und Janice Loeb beginnt sie 1944 mit der Arbeit an dem Film »In The Street«, der 1952 fertig gestellt wird. Er gilt als eine der Inkunabeln des frühen experimentellen Kinos und hat auch Charlie Chaplin inspiriert. Publikationen ihrer Arbeiten in Illustrierten und eine 1943 im Museum of Modern Art gezeigte Einzelausstellung würdigen und unterstützen Levitts fotografische Arbeit. Das 1946 konzipierte Buch »A Way of Seeing«, für das James Agee ein Essay verfasst, erscheint erst 1965. Ende der 1950er Jahre nimmt Helen Levitt ihre fotografische Arbeit, nun in Farbe und 1959/1960 unterstützt von einem Guggenheim-Stipendium, wieder auf. 1980 wendet sie sich noch einmal für einige Jahre der Schwarz-Weiß-Fotografie zu. Anfang der 1990er Jahre wird ihre Arbeit durch eine gemeinsam von dem San Francisco Museum of Modern Art und dem Metropolitan Museum New York eingerichtete Retrospektive und eine begleitende Publikation erstmals ausführlich gewürdigt. Levitts Blick auf die Stadt entwickelte sich in den ausgehenden 1930er Jahren und ist nach wie vor von großer Aktualität. In seiner zeitlos-poetischen Intensität und seiner kompositorischen Freiheit beinhaltet er ein starkes utopisches Moment. Die Ausstellung anlässlich ihrer Auszeichnung mit dem »Spectrum« Preis im Sprengel Museum Hannover gibt nach aktueller Auswahl mit ca. 300 Werken den bisher breitesten Überblick über das Schaffen von Helen Levitt: Gezeigt werden ihre frühen, 1936 im Central Park und Umgebung entstandenen Aufnahmen. Über kleinformatige Bildsequenzen werden konkrete Bildentscheidungen einsehbar. Arbeiten aus dem Motivkreis der Graffiti sind ebenso vertreten wie 1941 in Mexiko entstandene Fotografien. Sowohl ihr frühes wie späteres New Yorker Schaffen wird umfangreich ausgebreitet.

Der »Spectrum« Internationaler Preis für Fotografie der Stiftung Niedersachsen ging bisher an Robert Adams (1995), Thomas Struth (1997), John Baldessari (1999), Sophie Calle (2002) und Martha Rosler (2005).
Der Jury für die Preisvergabe 2008 gehörten an: Ludger Derenthal / Berlin, Emma Dexter / London, Hripsimé Visser / Amsterdam, Dominik von König und Inka Schube / Hannover.
 

Tags: Robert Adams, John Baldessari, Sophie Calle, Henri Cartier-Bresson, Walker Evans, Helen Levitt, Martha Rosler, Inka Schube, Inka Schube, Thomas Struth