TÄT

Silva Agostini "Perp Walk"

04 - 12 Feb 2012

Eröffnung: Samstag, den 4. Februar ab 19 Uhr

Ausstellungsdauer: 5. - 12. Februar 2012

Öffnungszeiten: Do. 9. - So. 12. Februar 16 -19 Uhr

und nach Vereinbarung unter silvahila@hotmail.de



Opening: Saturday the 4th of February at 7 pm

Exhibition runs from the 5th till the 12th of February 2012

Show is open from Thursday the 9th till Sunday the 12th of February from 4 to 7 pm

and by appointment under silvahila@hotmail.de
Spätestens seit der Affäre um Dominique Strauss-Kahn kennen wir ihn, den Perp Walk. Ein Tatverdächtiger in den USA wird nach seiner Festnahme auf dem Weg zum Haftrichter öffentlich den Medien vorgeführt. Auf der einen Seite dieser »Justizperformance« steht der durch Handschellen und Polizisten in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkte Verdächtige. Auf der anderen Seite des Perp Walks stehen die Medien, die eine gute Schurkengeschichte wittern. Die Fotografen drücken in in dem Moment auf den Auslöser, in dem der Beschuldigte eine besonders unvorteilhafte Miene aufsetzt, und liefern der Öffentlichkeit die Bilder nach denen sie sich vermeintlich verzehrt.

Silva Agostini (*1979) zeigt in ihrer gleichnamigen Ausstellung bei TÄT keine mutmaßlichen Verbrecher. Sie führt etwas anderes vor – und das um einiges subtiler als manch ein amerikanisches Sensationsblatt.

Denn im Mittelpunkt ihrer hier präsentierten Arbeiten stehen nicht die Menschen selbst, sondern die Spuren, die sie hinterlassen. Drei Farbfotografien zeigen architektonische, urbane Strukturen in der albanischen Provinz. Das Heimatland der Künstlerin, die an der Berliner UdK studiert hat, liefert oft den Hintergrund ihrer künstlerischen Überlegungen.

Die Landschaft verheißt Sommerdürre; Niedriges, verdörrtes Gebüsch auf weiten Ebenen, karge Gebirgszüge und trockenes Geröll bestimmen das Setting. Im Mittelpunkt der Fotografie »Reaction Rate« (2012) steht das nackte Stahlträgergerüst einer unfertigen Halle. Vor einer diesigen Bergkette steht es verlassen in einer von Müll übersäten, trockenen Landschaft. Fast möchte man sagen „gottverlassen“; die Form nimmt basilikale Züge an, gerade auch vor dem kreuzförmigen Strommast im Hintergrund. Rund um die funktionlose Investorenruine sengen Plastiktüten und sonstiger Zivilisationsschrott in der Sonne. Die titelgebende ›Reaktionsgeschwindigkeit‹ kann nicht schneller als schleichend sein. Indem die Künstlerin auch in den Fotografien »Stationary« und »Clot« (beide ebenfalls 2012) menschenleere, behelfsmäßige Zivilisationsensembles inszeniert, die einmal gut gemeint waren, nun aber nur noch von einer einst erträumten, aber uneingelösten Idylle zeugen, verdeutlicht sie ihr künstlerisches Anliegen: Silva Agostini zeigt diese Strukturen bewusst chaotisch, gewollt unvorteilhaft. Sie führt sie vor. Doch ist es nicht das Motiv selbst, das unter Tatverdacht steht. Vielmehr zeigt Agostini diese nicht recht zu Ende gedachten Projekte als Symptome einer Gesellschaft, die sich hier nicht im Erreichten, sondern im Unfertigen, im Scheitern manifestiert. Der Müll, den die Angeklagten auf ihrem Weg wie beiläufig verlieren, ist davon archäologisch lesbares Zeugnis.

In dem Video »Displacing Motion« (2011) rückt der Müll schließlich in den Mittelpunkt: Auf einem Stück Landstraße stoßen die Reifen vorbeifahrender Autos wieder und wieder eine lädierte, staubige Plastikflasche an, zerren sie ein Stück mit sich, stoßen sie weg, machen sie platt. Erst nach rund fünf Minuten ist die Flasche aus dem Bild. Nun rauscht auch kein Fahrzeug mehr vorbei. Endlich Idylle.





Text: Stefanie Gerke
 

Tags: Silva Agostini