Bénédicte Peyrat
Où en est l'herbe?
06 Mar - 11 Apr 2020
Vor den Gemälden von Bénédicte Peyrat wird schnell klar, diese Künstlerin liebt nicht nur die Farben, sondern auch die Fülle. In barocker Sinnlichkeit begegnen uns merkwürdige, meist rundliche und fleischige Figuren, die so eigenwillig handeln wie sie aussehen. (...) Menschen und Dinge führen ein Leben, das nicht nach modischem Wohlstand giert, sondern in autarker Ursprünglichkeit daherkommt. Hier ist kein Mangel an nichts und die Nacktheit der Figuren steigert deren Eindringlichkeit, die bisweilen naiv wirkt, wenn da nicht jener Hauch über den Szenen liegen würde, der von Hoffnungen kündet, die wohl kaum jemals Wirklichkeit werden. Vision und Realität überlappen sich und der Frohsinn der Protagonisten kaschiert kaum jenen Abgrund, der viele von Peyrats Figuren umgibt – das Bewusstsein einer Einsamkeit hinter der Heiterkeit. Bénédicte Peyrat ist eine Porträtistin und sie liebt die, die sie malt und mit bewegtem Strich zwischen Licht und Schatten bildet. Die Abgründe unserer Existenz münden auf diesen Bildern, möglicherweise genau deshalb, weder in methodischer Verengung noch werden sie zum Vorwand ergrübelter Bildnerei. Das Personal ist authentisch, weil es jenseits von Erinnerung, Wahrnehmung und Dichtung ein Miterleben gibt, eine Form der Identifikation, die sich ohne Distanz und Schminke auf die Personen einlässt, die die Bilder bevölkern.
Bénédicte Peyrat entführt uns in geheimnisvolle, arkadische Landschaften, die mit traumwandlerischen, phantasmagorischen Entdeckungen überraschen. Sie vermeidet eine direkte geographische und zeitliche Einordnung, sucht aber den Dialog mit den Epochen und Stilen der Kunstgeschichte. Hier entlädt sich ein flämisch-niederländischer Barock unter impressionistischen Himmeln und ist mit einer Erzählung aufgeladen, die durch ihre brüske Abkehr von den Verheißungen einer uniformen Gegenwart diese als Groteske desavouiert. Geschichte und Gegenwart greifen ineinander und alles, was geschieht, ist lebensnah und entrückt gleichermaßen. (...)
Die Anmutung der oft kleinformatigen Porträtköpfe, der Halbfiguren und der Großformate, die zumeist szenische Darstellungen, Akte oder Ganzkörperporträts zeigen, wirkt tradiert, wird aber durch Details, Kleidungsstücke oder technische Geräte, in der Gegenwart verortet. Die Körper wirken derb, sind jedoch von großer plastischer Lebendigkeit, geradezu sinnlich in ihrer dem Leben zugewandten Art. Man sieht die kreisende Spur des Pinsels, ahnt die Lust an ihrer körperlichen Bildung, die auch dort, wo ein Körper kaum bis ins letzte Detail ausgearbeitet ist, zu geschlossener Gestalt findet.
Hier berührt Peyrat den Reichtum alter Formen, etwa die Figürlichkeit Jordaens‘, und entwirft einen eigenen Typus menschlicher Gestalten, deren Physiognomien sich ähneln, die aber eher essenziell als in einem realistischen Sinne wirklich abbildhaft sind. Nicht immer, vor allem bei den „Köpfen“, verwischt
Peyrat zwar die Differenzierung der Geschlechter, dekliniert aber zugleich mit beschwingtem Strich die Möglichkeit individueller Erscheinungen im Korsett einer Reihung.
Das ist kühn und gewährt Abstand, schmälert es doch den Glauben an die menschliche Grenzenlosigkeit und fordert, parallel dazu, den eigenen ästhetischen Einfallsreichtum angesichts der Beschränktheit der Mittel. Auch die Palette der Farben bleibt begrenzt und deckt das irdische Maß der Figuration, deren Grenzenlosigkeit sich aus dem Wesen erklärt und genau deshalb aufrichtig ist.
(...) Peyrat entwirft Typen, die sie aus Sehen und Erleben extrahiert und fügt diese in Landschaften, die die Wirklichkeit wie eine Kulisse verengen und auf die Protagonisten fokussiert. (...)
Unter dem Blaugrau der Himmel ist die Wahl der Farben meist durch die Natur bestimmt, seltener mischt sich ein autonomer Kolorismus in die durch Licht und Schatten bewegten Farbfelder. Viele der Bildräume sind bewegt, dunkle Farben signalisieren Wildheit und bilden einen Kontrast zu den figürlichen Kompositionen. Im Hintergrund verliert sich die Landschaft im Nirgendwo, Himmel und Erde berühren sich, Einzelheiten sind unwichtig. Das Leben behauptet sich angesichts der Leere wie eine Verheißung und auch die aufbrechenden Himmel führen nirgendwo hin. Alles bleibt ein Versprechen, ein unwägbares noch dazu.
Bénédicte Peyrat hat ein eigenwilliges und originäres Werk entwickelt, das gerade dadurch auffällt, weil es sich nirgendwo einordnen lässt. Dieser Kosmos aus Tieren, Menschen und Dingen ist voller Überraschungen und in seiner unprätentiösen Andersartigkeit weder cool noch schick, dafür aber sympathisch und menschlich.
(aus einem Text von Erik Stephan, 2016)
Bénédicte Peyrat entführt uns in geheimnisvolle, arkadische Landschaften, die mit traumwandlerischen, phantasmagorischen Entdeckungen überraschen. Sie vermeidet eine direkte geographische und zeitliche Einordnung, sucht aber den Dialog mit den Epochen und Stilen der Kunstgeschichte. Hier entlädt sich ein flämisch-niederländischer Barock unter impressionistischen Himmeln und ist mit einer Erzählung aufgeladen, die durch ihre brüske Abkehr von den Verheißungen einer uniformen Gegenwart diese als Groteske desavouiert. Geschichte und Gegenwart greifen ineinander und alles, was geschieht, ist lebensnah und entrückt gleichermaßen. (...)
Die Anmutung der oft kleinformatigen Porträtköpfe, der Halbfiguren und der Großformate, die zumeist szenische Darstellungen, Akte oder Ganzkörperporträts zeigen, wirkt tradiert, wird aber durch Details, Kleidungsstücke oder technische Geräte, in der Gegenwart verortet. Die Körper wirken derb, sind jedoch von großer plastischer Lebendigkeit, geradezu sinnlich in ihrer dem Leben zugewandten Art. Man sieht die kreisende Spur des Pinsels, ahnt die Lust an ihrer körperlichen Bildung, die auch dort, wo ein Körper kaum bis ins letzte Detail ausgearbeitet ist, zu geschlossener Gestalt findet.
Hier berührt Peyrat den Reichtum alter Formen, etwa die Figürlichkeit Jordaens‘, und entwirft einen eigenen Typus menschlicher Gestalten, deren Physiognomien sich ähneln, die aber eher essenziell als in einem realistischen Sinne wirklich abbildhaft sind. Nicht immer, vor allem bei den „Köpfen“, verwischt
Peyrat zwar die Differenzierung der Geschlechter, dekliniert aber zugleich mit beschwingtem Strich die Möglichkeit individueller Erscheinungen im Korsett einer Reihung.
Das ist kühn und gewährt Abstand, schmälert es doch den Glauben an die menschliche Grenzenlosigkeit und fordert, parallel dazu, den eigenen ästhetischen Einfallsreichtum angesichts der Beschränktheit der Mittel. Auch die Palette der Farben bleibt begrenzt und deckt das irdische Maß der Figuration, deren Grenzenlosigkeit sich aus dem Wesen erklärt und genau deshalb aufrichtig ist.
(...) Peyrat entwirft Typen, die sie aus Sehen und Erleben extrahiert und fügt diese in Landschaften, die die Wirklichkeit wie eine Kulisse verengen und auf die Protagonisten fokussiert. (...)
Unter dem Blaugrau der Himmel ist die Wahl der Farben meist durch die Natur bestimmt, seltener mischt sich ein autonomer Kolorismus in die durch Licht und Schatten bewegten Farbfelder. Viele der Bildräume sind bewegt, dunkle Farben signalisieren Wildheit und bilden einen Kontrast zu den figürlichen Kompositionen. Im Hintergrund verliert sich die Landschaft im Nirgendwo, Himmel und Erde berühren sich, Einzelheiten sind unwichtig. Das Leben behauptet sich angesichts der Leere wie eine Verheißung und auch die aufbrechenden Himmel führen nirgendwo hin. Alles bleibt ein Versprechen, ein unwägbares noch dazu.
Bénédicte Peyrat hat ein eigenwilliges und originäres Werk entwickelt, das gerade dadurch auffällt, weil es sich nirgendwo einordnen lässt. Dieser Kosmos aus Tieren, Menschen und Dingen ist voller Überraschungen und in seiner unprätentiösen Andersartigkeit weder cool noch schick, dafür aber sympathisch und menschlich.
(aus einem Text von Erik Stephan, 2016)