Thomas Rehbein

Heinz Breloh

04 Sep - 31 Oct 2020

„Es ergab sich wie von alleine, dass die Plastiken aus meiner Bewegung heraus entstehen müssen. [...] Zunächst blieben die Bewegungen simpel und elementar: Greifen und etwas sehr einfaches machen.“ Mit diesen Worten beschreibt der Kölner Bildhauer Heinz Breloh die Ursprünge seines bildhauerischen, prozessualen Arbeitens. Zugleich benennt er damit eines seiner zentralen künstlerischen Themen, die Handlung. Schicht um Schicht trägt der Künstler für seine Plastiken Gips auf, je eine Handvoll, bis sich eine Grundform erahnen lässt. Er tritt zurück und schaut, befindet für gut oder schlecht. Er trägt neuen Gips auf oder schlägt ihn an anderen Stellen mit einem Beil ab. Er vergleicht Partien seines Körpers mit der entstehenden Plastik, nimmt sich selbst als Maß. Bald lehnt der Bildhauer seine Arbeit nicht mehr nur an sich selbst an; er beginnt, seinen eigenen Körper in den Gips zu drücken, schleift ihn durch den Gips bis Form und Oberfläche der Plastik zur endgültigen Form gefunden haben.

Dieser ungewöhnliche Arbeitsprozess markiert einen Wendepunkt im Werk des 1940 geborenen Heinz Breloh. Vorausgegangen waren nahezu 25 Jahre künstlerischer Entwicklung. Nach einem klassischen Studium der Bildhauerei bei Gustav Seitz an der Hochschule für bildende Künste Hamburg und der Erarbeitung geometrischer Abstraktionen bei Fritz Wotruba an der Akademie der bildenden Künste Wien wendet sich Breloh in den 1970er Jahren den Medien Film und Fotografie zu. Mit ihnen erfasst er räumliche Situationen und menschliche Gestalten, erprobt ihre Wiedergabe in plastischer Form. Nach einem einjährigen Aufenthalt am PS1 in New York kommt Breloh zur Übertragung dieser konzeptuellen Fragestellungen in ein anderes Medium: Er formt massige Gipsvolumen, die er Lebensgröße nennt. „Du gehst um die zu gestaltende Masse herum und das ist deine Plastik“ sagt Breloh, dessen eigener Körper Werkzeug im Arbeitsprozess an der Lebensgröße ist. Damit wird Breloh der Plastik zum Parameter: Mit seinen Bewegungen definiert er ihr Erscheinung, seine Ausdehnung im Raum bestimmt ihre Grenzen, die Plastik bleibt als Negativraum einer Choreografie zurück. Ihre Ausformung und die horizontalen Schleifspuren auf ihrer Oberfläche bezeugen die Einschreibung des Künstlerkörpers in den Gips. Die im Material an verschiedenen Stellen sichtbaren Profile Brelohs machen die Plastik zur Spur seiner Anwesenheit im Entstehungsprozess. Sie bezeugen eine Identität zwischen künstlerischer Handlung und Werk, womit das tätige Bildhauerindividuum Heinz Breloh gleichsam Thema der Plastik wird. Der Künstler selbst sagt dazu: „Die Arbeit ist getan, wenn zwischen Körper und Plastik keine Distanz mehr besteht.“ Diese Distanzlosigkeit zum Material wird für Breloh zum existenziellen Erlebnis von Wahrnehmung und Ausdruck. Die dabei gewonnenen Erfahrungen, körperliche wie intellektuelle, sinnliche wie geistige, fließen in seine folgenden Werke ein. Die Reflektion seiner Handlung im Gips bleibt wesentlicher Bestandteil von Brelohs Arbeit bis zu seinem Tod 2001.

(Malte Guttek, 2020)