Thomas Rehbein

Mel Chin

14 Apr - 28 May 2011

Safehouse, 2008 – 2010
Fotografie / photograph
9-11/9-11, 2007
Handgezeichneter, animierter Film, DVD Projektion/Hand-drawn animated film, DVD Projection
Shape of a Lie (Detail), 2005
Bronze, Eisen, Catlinit / Bronze, iron, catlinite
178 x 137,2 x 73,7 cm
Der amerikanische Künstler Mel Chin (*1951) gehört zu den bedeutenden Vertretern der Konzeptkunst seiner Generation. Seit 1970 setzt er sich in seinen Arbeiten kulturübergreifend mit politischen, gesellschaftlichen und ökologischen Themen auseinander. Gegenüber zahlreichen Ausstellungen in den USA seit Mitte der siebziger Jahre, wurden Chin’s Arbeiten in Europa bisher kaum wahrgenommen. 2002/2003 zeigte das K21, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, aus der Sammlung Schürmann das in die Kultfernsehserie „Melrose Place“ eingeschleuste Kunstprojekt In the name of the place von Mel Chin & GALA Committee. 2010 erhält Mel Chin den Fritschy Culture Award, dotiert vom Het Domein Museum in Sittard (Niederlande) und das Museum zeigt seine Arbeiten in einer an die Preisverleihung anknüpfenden Ausstellung. Im selben Jahr waren im Kölnischen Kunstverein in der Ausstellung Verbotene Liebe: Kunst im Sog von Fernsehen Arbeiten von ihm zu sehen. Die Thomas Rehbein Galerie zeigt die erste Einzelausstellung von Mel Chin in Deutschland.

Mel Chin arbeitet mit einer Vielfalt von Medien: in Video, Film, Fernsehen, Cartoons, Skulpturen und temporären Installationen beleuchtet er ökologische wie politische Ereignisse. In seinen scharfsinnigen, eindringlichen Arbeiten behandelt er etwa Themen wie den Amerikanischen Imperialismus anhand den Ereignissen am 11. September, den Bürgerkriegen im postkolonialen Afrika, beleuchtet das Schicksal der Ureinwohner Amerikas, der Indianer oder verweist auf die Misshandlungen in Guantanamo Bay, auf das Aussterben von Tierarten oder auf die Verunreinigung der Naturressourcen durch den Menschen.

So thematisiert er in dem düsteren und fesselnden, animierten Kurzfilm 9-11/9-11 zwei historische Ereignisse: die Terrorangriffe auf die zwei Türme des World Trade Center in New York und den 28 Jahre früher an demselben Datum durchgeführten von der U. S. unterstützten militärischen Sturz des chilenischen Präsidenten Salvador Allende. Anhand einer Liebesgeschichte schildert Chin in Dialogen die Folgen kollektiver Traumata, die durch politische Ereignisse und durch die Manipulation von Macht herbeigeführt wurden und weniger einem schicksalhaften Ursprung entstammen.

Mit Operation Paydirt/Fundred Dollar Bill Project startete Mel Chin eine Aktion, um die Sanierung des mit Blei verseuchten Bodens in New Orleans zu unterstützen. Kinder in amerikanischen Schulen sowie Museumsbesucher gestalten individuelle, fingierte 100 Dollarscheine. Diese Fundred Dollar Bills werden in einem Safe, einem Haus in New Orleans mit einer gewaltigen Safetür (Safehouse), gesammelt und sollen schließlich vom U. S. Kongress gegen gültige Dollars eingetauscht werden, um so den Sanierungsplan realisieren zu können. Mit solchen aktivistischen Kunstprojekten überschreitet Mel Chin nicht nur die Grenzen der Kunst, sondern er schafft einen Raum für soziale, (geo-)politische Themen und ermöglicht einen interdisziplinären Dialog zwischen den Bereichen der Biologie, Geschichte, Religion, Anthropologie, Literatur und Alchemie.

Chin’s Arbeiten sind sowohl analytisch als auch poetisch. Neben den wissenschaftlichen Disziplinen spielen auch traditionelle Philosophien, etwa der chinesische Taoismus, eine wichtige Rolle in seiner Kunst. So befasst er sich in der Arbeit Shape of a Lie mit der unablässigen Notwendigkeit der mentalen Selbstbetrachtung, dem Bewusstwerden über die eigenen Handlungen und inneren Gefühle, in dem er die Morphologie einer Lüge realisiert.

Mel Chin hat mit der Zeit eine individuelle, komplexe Formensprache entwickelt. In all seinen Arbeiten hinterfragt er im Wesentlichen, wie Kunst ein soziales Bewusstsein und Verantwortung bewirken kann und zeigt darüber hinaus Perspektiven für eine Veränderung auf. Mel Chin: „Making objects and marks is also about making possibilities, making choices – and is one of the last freedoms we have. To provide that is one of the functions of art.“

(Miriam Walgate, 2011)
 

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