Thomas Rehbein

Thomas Erdelmeier

03 Dec 2010 - 22 Jan 2011

Freunde / Friends (7/2010), 2010
Bleistift, Tinte und Aquarell auf Papier / Pencil, ink and watercolour on paper
86 x 67 cm
o. T. / Untitled (6/2010), 2010
Bleistift, Tinte und Aquarell auf Papier / Pencil, ink and watercolour on paper
74 x 55,5 cm
o. T. / Untitled (Harfe), 2010
Bleistift, Tinte und Aquarell auf Papier / Pencil, ink and watercolour on paper
252 x 150 cm
Der in Frankfurt lebende und arbeitende Städelabsolvent Thomas Erdelmeier (*1969), der zum Ende seines Studiums u. a. auch bei Georg Herold studiert hat, ist ein Vollblutzeichner.

In seinen nicht selten wandgroßen Zeichnungen setzt sich Erdelmeier kritisch konstatierend, aber auch mit humorvoller Ironie mit gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Themen auseinander. Dabei bildet die Rolle des Individuums, das im immer komplexer werdenden Gesellschaftssystem seinen Platz zu finden versucht, oft den Ausgangspunkt seiner Arbeiten. Überlegungen zum Partizipationsrecht, zur Mitgestaltung des politischen und gesellschaftlichen Systems, sowie die Frage, inwieweit Herkunft, Gesellschaft und Ökonomie das Subjekt formen und die menschliche Kommunikation bedingen sind die wiederkehrenden Themen in seinen Zeichnungen.

Auf den ersten Blick übermannt den Betrachter eine überbordende Ansammlung von frei auf der Bildfläche sich ausweitenden Texten und figurativen Zeichnungen. Letztere entstammen aus Erdelmeiers Phantasie oder sind den Medien entnommen. Dabei bedient er sich aller zeichnerischen Ausdrucksformen. Er vermischt Graffiti, Comic und Manga, Karikatur und Cartoon, Sciencefiction und Märchen, vereint Agitprop, Bewerbungstipps oder Gebrauchsanweisungen, Wortwitz, Sprechblasen, Pamphlete, Gesellschaftsbetrachtung und künstlerische Selbstbefragung zu einem unverkennbaren Erzählstil. Die Verbindung von Bild und Text ist dabei das wesentliche Charakteristikum seiner Arbeiten. Einzelne Begriffe, Statements oder ganze Textpassagen werden temperamentvoll untereinander gestaffelt oder nebeneinander angeordnet und sind mit assoziativen Bildern zusammengruppiert, so dass schließlich der Eindruck von Tiefenwirkung und Räumlichkeit entsteht. Bunte, dynamische Bildkompositionen mit Bleistift, Tusche, Filzstift und Acryl, bilden dabei das energetische Feld. Es wird deutlich, wie bewusst der Künstler mit seinem Formenrepertoire spielt und wie sehr er es versteht, seine prall gefüllten Kompositionen zu rhythmisieren. Alles verdichtet sich zu einem Thema. „Die Zeichnungen funktionieren wie ein Gedankenpool, eine weiterentwickelte Pinnwand“, sagt Erdelmeier über seine Arbeiten. Ein aktives Sehen ist vom Betrachter gefordert, um das Geschriebene nacheinander zu lesen, die Zusammenhänge zwischen Text und Motiv zu erkennen und den Versuch zu unternehmen, dem Monolog des Künstlers zu folgen. Dies bedeutet ein Loslassen von tradierten Betrachtungsmustern und ein Einlassen auf vermeintliches Chaos.

So auch in der wandfüllenden Arbeit Die Politik der Freundschaft. Das gleichnamige Buch des Philosophen Jacques Derrida, ist hierbei nicht nur titelgebend, sondern auch Impulsgeber für Erdelmeiers Auseinandersetzung mit dem Begriff der Freundschaft und der Fragestellung, was ist Freundschaft heute? Ausgangspunkt für Derridas Reflexionen über die Freundschaft ist ein Satz, der Aristoteles zugeschrieben wird: „O meine Freunde, es gibt keinen Freund.“ Dieser enigmatische Satz, der sich auch in Erdelmeiers Zeichnung wieder findet, eröffnet jeweils eine Theorie der Freund- und Feindschaft, deren politische wie philosophische Implikationen Derrida herausarbeitet. Er zeigt auf, wie der Begriff von Politik einst mit Vorstellungen von Freundschaft bzw. „Brüderlichkeit“ geprägt war und beschreibt die Freundschaft als eine immer im Kommen begriffene Beziehung. „Freundschaft ist nie eine gegenwärtige Gegebenheit. Sie ist der Erfahrung des Wartens, des Versprechens, der Verpflichtung anheim gegeben. [...]“, so Derrida. Inspiriert von Derridas Vorstellungen zur Freundschaft, trägt auch Erdelmeier seine Gedanken und Überlegungen zu diesem Thema auf dem Papier zusammen.

(Miriam Walgate, 2010)
 

Tags: Georg Herold