Autofocus, Focus_Auto
12 Nov 2010 - 29 Jan 2011
AUTOFOCUS, FOCUS_AUTO
12.11.2010 – 29.01.2011
Gottfried Bechtold, Pirmin Blum, Olafur Eliasson / BMW Art-Cars, Sissi Farassat, Bernhard Fuchs, Peter Garmusch, G.R.A.M., Erik Steffensen, Erwin Wurm
“Cars”, weil das “Automobil” das 20. Jhdt. massgeblich beeinflusst hat und selbst in Zeiten klimatischer Veränderungen, veränderter sozio-ökonomischer Rahmenbedingungen und steigender Arbeitslosigkeit der Stellenwert des Automobils hinsichtlich Mobilitätsfaktor, als “Kult-und Identifikation stiftendes Objekt” (1), „Mythos“ (2) und „Fetischobjekt” ungebrochen scheint..
Pirmin Blum verwendet bizzares Footage-Material aus dem Internet, Gottfried Bechtolds jahrelange Auseinandersetzung mit dem Mythos Auto und der Idee der Bewegung („Beton-Posche-Reihe“ = Transformation eines Objektes für extreme Geschwindigkeit in eine Betonskulptur) ist realitätsnah und autobiografisch, Sissi Farassat posiert auf ihren aufwendig bestickten Fotoarbeiten mit „Auto-gewordenen-Männerträumen“ und bedient zugleich das Klischee der Interdependenz von „muscle-cars und pin-up-girls ?“ Bernhard Fuchs versammelt in seiner „Auto“-Serie Farbaufnahmen von durchwegs älteren Fahrzeugmodellen, die als vereinzelte Vehikel am Parkplatz oder am Waldrand abgestellt wurden.
In ihrer präzisen kompositorischen Simplizität und ihrer sanften Melancholie wirken die Bilder nicht zufällig portraitartig." Dokumentarische Aspekte in Peter Garmusch’s Arbeit sind nicht zu leugnen, jedoch handelt es sich weder um sozialkritische Reportagen, noch um romantisierende Darstellungen fremder Länder. Eine geographische Zuordnung der Aufnahmen bleibt möglich, aber im Zentrum der Arbeit stehen universelle, globale Themen: Mobilität, Wirtschaften im weitesten Sinne, der Umgang mit industriell gefertigten Produkten, deren Verwendung und Wiederverwendung, deren Entsorgung und Nicht-Entsorgung, und schlussendlich die beschriebene Ästhetik alltäglicher Gebrauchsgegenstände.G.R.A.M.s Hauptstrategie ist die Rekonstruktion von Aktionen bzw. von Bildrepräsentationen anderer Autoren aus einer anderen Zeit, sie erforschen die Problemfelder Authentizität, Originalität, Zeitverschiebung und Dokumentation.(3) Die Arbeit China Blue von Erik Steffensen zeigt eine blau getönte Aussicht durch eine Autowindschutzscheibe und strebt nach dem zeitlosen Ausdruck eines Gemäldes. Um irritierende Momente in Zusammenhang mit dem offenbaren Überwinden der Schwerkraft geht es auch in der Arbeit von Erwin Wurm + eine Film- Dokumentation über das making-of eines BMW-Art-Cars, gestaltet von Olafur Eliasson.
“ AUTOFOCUS, FOCUS_AUTO bedeckt eine Menge künstlerischen Boden: Vom Ästhetisch-Dekorativen, über das erotisch Konnotierte bis hin zu kritisch-dekonstruktiven Arbeiten, die den etwas verblassten Mythos Auto unter Gegenwartsbedingungen befragen. Oder, um es mit den Worten von Jean-Francois Lyotard zu sagen: In der universellen Mobilmachung potenziert sich der nietzscheanische Dualismus von Subjekt und Objekt, und die Grimm ́sche Definition des “sich an einer Stelle wohl befinden” wird zu einem flüchtigen Anwesend sein...Es macht somit, aus meiner Perspektive, angesichts der automobilen Gesamtgemengegelage durchaus Sinn, hier und heute eine Ausstellung zu veranstalten, die das Automobil einer kritischen Revision und einer ästhetischen Befragung unterzieht. Die Auseinandersetzung der Kunst mit dem Auto ist ja lange und intensiv, von Andy Warhols Car Crashes über die Karambolagen des Schweizer Polzisten Arnold Odermatt, die post festum in den Kunstkontext verschoben wurden bis zum Fat Car von Erwin Wurm, das die dem Auto zugeschriebene Sexiness ironisch unterläuft - ”
(Auszug Eröffungsrede Thomas Mießgang.)
(1) Seit 1975 etwa lässt BMW an mittlerweile 16 „BMW-ART-CARS“ deren Aussenhaut von namhaften internationalen Künstlern gestalten.
(2) Roland Barthes beschäftigte sich schon vor 50 Jahren mit dem Phänomen Auto in seinen Aufsätzen "Mythen des Alltags". Er verstand das Auto in erster Linie als Objekt. Gegenstand des Buches Mythen des Alltags ist nicht die Literatur, sondern ein besonderer Aspekt der sozialen Mythologie: der moderne Mythos. In Mythen des Alltags sammelt Barthes aus willkürlich gewählten Themengebieten Material, dass sich dazu eignet, Betrachtungen über die Mythen des modernen französischen Alltagslebens anzustellen.
(3) „Draussen vor einer ganz gewöhnlichen Stadt im Grünen stand ein Haus, ein ganz gewöhnliches Einfamilienhaus. Es gehörte einer ganz gewöhnlichen Familie. Drum herum standen viele andere Häuser, genauso gewöhnlich und sie gehörten auch ganz gewöhnlichen familien. Das Leben in diesen Häusern war tagaus, tagein gewöhnlich und nichts passierte. Doch eines tages, wie von Zauberhand, stand irgendwo dort über Nacht etwas Ungewöhnliches: Ein knallrotes Sportcoupé, klein, niedlich und gleich bereit loszufahren, nur fuhr es nicht los. Auf der Kühlerhaube loderten giftig und stark Flammen...“
Aus: Wolfgang Mizelli. Mit Vollgas ins Grauen. Künstlerhaus Klagenfurt. 29.11.- 20.12.1996.
12.11.2010 – 29.01.2011
Gottfried Bechtold, Pirmin Blum, Olafur Eliasson / BMW Art-Cars, Sissi Farassat, Bernhard Fuchs, Peter Garmusch, G.R.A.M., Erik Steffensen, Erwin Wurm
“Cars”, weil das “Automobil” das 20. Jhdt. massgeblich beeinflusst hat und selbst in Zeiten klimatischer Veränderungen, veränderter sozio-ökonomischer Rahmenbedingungen und steigender Arbeitslosigkeit der Stellenwert des Automobils hinsichtlich Mobilitätsfaktor, als “Kult-und Identifikation stiftendes Objekt” (1), „Mythos“ (2) und „Fetischobjekt” ungebrochen scheint..
Pirmin Blum verwendet bizzares Footage-Material aus dem Internet, Gottfried Bechtolds jahrelange Auseinandersetzung mit dem Mythos Auto und der Idee der Bewegung („Beton-Posche-Reihe“ = Transformation eines Objektes für extreme Geschwindigkeit in eine Betonskulptur) ist realitätsnah und autobiografisch, Sissi Farassat posiert auf ihren aufwendig bestickten Fotoarbeiten mit „Auto-gewordenen-Männerträumen“ und bedient zugleich das Klischee der Interdependenz von „muscle-cars und pin-up-girls ?“ Bernhard Fuchs versammelt in seiner „Auto“-Serie Farbaufnahmen von durchwegs älteren Fahrzeugmodellen, die als vereinzelte Vehikel am Parkplatz oder am Waldrand abgestellt wurden.
In ihrer präzisen kompositorischen Simplizität und ihrer sanften Melancholie wirken die Bilder nicht zufällig portraitartig." Dokumentarische Aspekte in Peter Garmusch’s Arbeit sind nicht zu leugnen, jedoch handelt es sich weder um sozialkritische Reportagen, noch um romantisierende Darstellungen fremder Länder. Eine geographische Zuordnung der Aufnahmen bleibt möglich, aber im Zentrum der Arbeit stehen universelle, globale Themen: Mobilität, Wirtschaften im weitesten Sinne, der Umgang mit industriell gefertigten Produkten, deren Verwendung und Wiederverwendung, deren Entsorgung und Nicht-Entsorgung, und schlussendlich die beschriebene Ästhetik alltäglicher Gebrauchsgegenstände.G.R.A.M.s Hauptstrategie ist die Rekonstruktion von Aktionen bzw. von Bildrepräsentationen anderer Autoren aus einer anderen Zeit, sie erforschen die Problemfelder Authentizität, Originalität, Zeitverschiebung und Dokumentation.(3) Die Arbeit China Blue von Erik Steffensen zeigt eine blau getönte Aussicht durch eine Autowindschutzscheibe und strebt nach dem zeitlosen Ausdruck eines Gemäldes. Um irritierende Momente in Zusammenhang mit dem offenbaren Überwinden der Schwerkraft geht es auch in der Arbeit von Erwin Wurm + eine Film- Dokumentation über das making-of eines BMW-Art-Cars, gestaltet von Olafur Eliasson.
“ AUTOFOCUS, FOCUS_AUTO bedeckt eine Menge künstlerischen Boden: Vom Ästhetisch-Dekorativen, über das erotisch Konnotierte bis hin zu kritisch-dekonstruktiven Arbeiten, die den etwas verblassten Mythos Auto unter Gegenwartsbedingungen befragen. Oder, um es mit den Worten von Jean-Francois Lyotard zu sagen: In der universellen Mobilmachung potenziert sich der nietzscheanische Dualismus von Subjekt und Objekt, und die Grimm ́sche Definition des “sich an einer Stelle wohl befinden” wird zu einem flüchtigen Anwesend sein...Es macht somit, aus meiner Perspektive, angesichts der automobilen Gesamtgemengegelage durchaus Sinn, hier und heute eine Ausstellung zu veranstalten, die das Automobil einer kritischen Revision und einer ästhetischen Befragung unterzieht. Die Auseinandersetzung der Kunst mit dem Auto ist ja lange und intensiv, von Andy Warhols Car Crashes über die Karambolagen des Schweizer Polzisten Arnold Odermatt, die post festum in den Kunstkontext verschoben wurden bis zum Fat Car von Erwin Wurm, das die dem Auto zugeschriebene Sexiness ironisch unterläuft - ”
(Auszug Eröffungsrede Thomas Mießgang.)
(1) Seit 1975 etwa lässt BMW an mittlerweile 16 „BMW-ART-CARS“ deren Aussenhaut von namhaften internationalen Künstlern gestalten.
(2) Roland Barthes beschäftigte sich schon vor 50 Jahren mit dem Phänomen Auto in seinen Aufsätzen "Mythen des Alltags". Er verstand das Auto in erster Linie als Objekt. Gegenstand des Buches Mythen des Alltags ist nicht die Literatur, sondern ein besonderer Aspekt der sozialen Mythologie: der moderne Mythos. In Mythen des Alltags sammelt Barthes aus willkürlich gewählten Themengebieten Material, dass sich dazu eignet, Betrachtungen über die Mythen des modernen französischen Alltagslebens anzustellen.
(3) „Draussen vor einer ganz gewöhnlichen Stadt im Grünen stand ein Haus, ein ganz gewöhnliches Einfamilienhaus. Es gehörte einer ganz gewöhnlichen Familie. Drum herum standen viele andere Häuser, genauso gewöhnlich und sie gehörten auch ganz gewöhnlichen familien. Das Leben in diesen Häusern war tagaus, tagein gewöhnlich und nichts passierte. Doch eines tages, wie von Zauberhand, stand irgendwo dort über Nacht etwas Ungewöhnliches: Ein knallrotes Sportcoupé, klein, niedlich und gleich bereit loszufahren, nur fuhr es nicht los. Auf der Kühlerhaube loderten giftig und stark Flammen...“
Aus: Wolfgang Mizelli. Mit Vollgas ins Grauen. Künstlerhaus Klagenfurt. 29.11.- 20.12.1996.