Daniel Leidenfrost
05 Jun - 14 Jul 2012
© Daniel Leidenfrost
HOTEL“, 2012
Leuchtkasten. Pigmentdruck auf palfolie/MDF/Alu/LED.
21 x 28,5 x 13 cm. Auflage 2/2
HOTEL“, 2012
Leuchtkasten. Pigmentdruck auf palfolie/MDF/Alu/LED.
21 x 28,5 x 13 cm. Auflage 2/2
DANIEL LEIDENFROST
Hotel
5 June - 14 July 2012
Niedere Kunst erzählt einfache Dinge, wie zum Beispiel: ,dies ist die Nacht‘. Hohe Kunst gibt das Gefühl der Nacht. Diese Form kommt der Wirklichkeit näher, obwohl die erste eine genaue Kopie ist. Edward Hopper
Daniel Leidenfrost zeigt uns auf zahlreichen seiner Leuchtkästen-Fotografien Gebäude bei Nacht. Das Licht kommt aus vereinzelten Fenstern, von einer einsamen Straßenlaterne oder von einem Schild am Dach mit dem Schriftzug HOTEL. Alles ist still, bewegungslos, kein Mensch ist zu sehen. Das Hotel, ein im funktionalistisch-monotonen Baustil der 1970er Jahre errichtetes Hochhaus, das überall stehen könnte, erinnert in diesem Sinne an Siegfried Kracauers Charakteristik eines „modernen“ Hotels der 20er-Jahre: „Seine Gäste kommen überhaupt nicht an oder reisen gar umständlich ab, sondern sie sind einfach da, ohne eingetroffen zu sein, und verflüchtigen sich ebenso unbemerkt.“
Daniel Leidenfrosts HOTEL gibt es so, wie wir es auf seinen Fotografien sehen, nicht. Es gibt hingegen ein vom Künstler nach eigenen Plänen gebautes Modell samt ebenfalls selbstgebauter Umgebung desselben. Das Modell und seine Konstruktion beruhen sowohl auf eigenen Betrachtungen realer Gebäude dieser Zeit als auch auf Bemessungen in Hinsicht auf seine Umsetzung als fotografisches Bild: Außen- und insbesonders Innenräume sind auf den Blick durch die Kamera hin berechnet und auch während der Bauphase erprobt worden.
„In meinen Bildern“, sagt der Künstler, „auch wenn es sich um Modelle handelt, wird selten ein konkretes Objekt dargestellt und naturgetreu wiedergegeben, sondern die von mir ausgeführte Arbeit steht als Stellvertreterin, als Simulakrum für bekannte, real existierende Arrangements und damit verbundene Empfindungen unserer unmittelbaren Lebens- und Erfahrungswelt. Die künstlerische Arbeit wird zu einem Modellfall, der eine Empfindung oder ein Erlebnis, die an reales Erleben geknüpft sind, repräsentiert.“
Leidenfrost rückt damit mehrere essenzielle, unsere Wahrnehmung und deren Archivierung betreffende Aspekte ins visuelle Bewusstsein: So gilt in der Fototheorie, dass jedes fotografische Bild die Wirklichkeit selektiert, jedes Bild kontextabhängig ist und dass diese Kontexte im Gehirn gespeichert werden. Diese Basisaufnahmen finden ihren Ausdruck in dem Axiom der Fotografie als „Prinzip des vorher gewussten Bildes“ (Wilfried Wiegand). Daniel Leidenfrost macht dieses Prinzip sichtbar, indem er diese „Basisaufnahmen“ dreidimensional (re-)konstruiert und ihre (Re-)Konstruktion zugleich auf die Rezeption des zweidimensionalen fotografischen Bildes ausrichtet. Und zur Rezeption desselben stellte bereits Roland Barthes fest: „Die bewusste Reaktion, die eine Photographie auslöst, erzeugt nicht das Bewusstsein des Daseins des Gegenstands, sondern des Dagewesenseins. Wir stoßen hier auf eine neue Kategorie des Raum-Zeit-Verhältnisses: räumliche Präsenz bei zeitlicher Vergangenheit, eine unlogische Verbindung des Hier und Jetzt mit dem Da und Damals.“
Und aus dieser, bei Leidenfrost also bewusst konzipierten und visuell umgesetzten „unlogischen Verbindung“ resultiert zugleich das, was der eingangs zitierte Maler Edward Hopper als „hohe Kunst“ (gegenüber reiner Wirklichkeits-wiedergabe) beschrieben hat. So stellt sich auch vor den Leuchtkastenbildern des – seinerseits von der Malerei herkommenden – Künstlers Leidenfrost jenes „Gefühl“ der Dinge ein, zu denen durchaus auch die Nacht gehört. Und diese, erachten wir sie als Finsternis, hat so ambivalente Eigenschaften, wie sie schon Friedrich W. Nitzsche poetisch beschrieb, als er in seinem Vorwort zu Der Wanderer und sein Schatten (1880) den Schatten zum Wanderer sagen ließ: „Und ich hasse dasselbe, was du hassest: die Nacht; ich liebe die Menschen, weil sie Lichtjünger sind und freue mich des Leuchtens, das in ihrem Auge ist, wenn sie erkennen und entdecken, die unermüdlichen Erkenner und Entdecker. Jener Schatten, welchen alle Dinge zeigen, wenn der Sonnenschein der Erkenntnis auf sie fällt – jener Schatten bin ich auch.“
Lucas Gehrmann
Hotel
5 June - 14 July 2012
Niedere Kunst erzählt einfache Dinge, wie zum Beispiel: ,dies ist die Nacht‘. Hohe Kunst gibt das Gefühl der Nacht. Diese Form kommt der Wirklichkeit näher, obwohl die erste eine genaue Kopie ist. Edward Hopper
Daniel Leidenfrost zeigt uns auf zahlreichen seiner Leuchtkästen-Fotografien Gebäude bei Nacht. Das Licht kommt aus vereinzelten Fenstern, von einer einsamen Straßenlaterne oder von einem Schild am Dach mit dem Schriftzug HOTEL. Alles ist still, bewegungslos, kein Mensch ist zu sehen. Das Hotel, ein im funktionalistisch-monotonen Baustil der 1970er Jahre errichtetes Hochhaus, das überall stehen könnte, erinnert in diesem Sinne an Siegfried Kracauers Charakteristik eines „modernen“ Hotels der 20er-Jahre: „Seine Gäste kommen überhaupt nicht an oder reisen gar umständlich ab, sondern sie sind einfach da, ohne eingetroffen zu sein, und verflüchtigen sich ebenso unbemerkt.“
Daniel Leidenfrosts HOTEL gibt es so, wie wir es auf seinen Fotografien sehen, nicht. Es gibt hingegen ein vom Künstler nach eigenen Plänen gebautes Modell samt ebenfalls selbstgebauter Umgebung desselben. Das Modell und seine Konstruktion beruhen sowohl auf eigenen Betrachtungen realer Gebäude dieser Zeit als auch auf Bemessungen in Hinsicht auf seine Umsetzung als fotografisches Bild: Außen- und insbesonders Innenräume sind auf den Blick durch die Kamera hin berechnet und auch während der Bauphase erprobt worden.
„In meinen Bildern“, sagt der Künstler, „auch wenn es sich um Modelle handelt, wird selten ein konkretes Objekt dargestellt und naturgetreu wiedergegeben, sondern die von mir ausgeführte Arbeit steht als Stellvertreterin, als Simulakrum für bekannte, real existierende Arrangements und damit verbundene Empfindungen unserer unmittelbaren Lebens- und Erfahrungswelt. Die künstlerische Arbeit wird zu einem Modellfall, der eine Empfindung oder ein Erlebnis, die an reales Erleben geknüpft sind, repräsentiert.“
Leidenfrost rückt damit mehrere essenzielle, unsere Wahrnehmung und deren Archivierung betreffende Aspekte ins visuelle Bewusstsein: So gilt in der Fototheorie, dass jedes fotografische Bild die Wirklichkeit selektiert, jedes Bild kontextabhängig ist und dass diese Kontexte im Gehirn gespeichert werden. Diese Basisaufnahmen finden ihren Ausdruck in dem Axiom der Fotografie als „Prinzip des vorher gewussten Bildes“ (Wilfried Wiegand). Daniel Leidenfrost macht dieses Prinzip sichtbar, indem er diese „Basisaufnahmen“ dreidimensional (re-)konstruiert und ihre (Re-)Konstruktion zugleich auf die Rezeption des zweidimensionalen fotografischen Bildes ausrichtet. Und zur Rezeption desselben stellte bereits Roland Barthes fest: „Die bewusste Reaktion, die eine Photographie auslöst, erzeugt nicht das Bewusstsein des Daseins des Gegenstands, sondern des Dagewesenseins. Wir stoßen hier auf eine neue Kategorie des Raum-Zeit-Verhältnisses: räumliche Präsenz bei zeitlicher Vergangenheit, eine unlogische Verbindung des Hier und Jetzt mit dem Da und Damals.“
Und aus dieser, bei Leidenfrost also bewusst konzipierten und visuell umgesetzten „unlogischen Verbindung“ resultiert zugleich das, was der eingangs zitierte Maler Edward Hopper als „hohe Kunst“ (gegenüber reiner Wirklichkeits-wiedergabe) beschrieben hat. So stellt sich auch vor den Leuchtkastenbildern des – seinerseits von der Malerei herkommenden – Künstlers Leidenfrost jenes „Gefühl“ der Dinge ein, zu denen durchaus auch die Nacht gehört. Und diese, erachten wir sie als Finsternis, hat so ambivalente Eigenschaften, wie sie schon Friedrich W. Nitzsche poetisch beschrieb, als er in seinem Vorwort zu Der Wanderer und sein Schatten (1880) den Schatten zum Wanderer sagen ließ: „Und ich hasse dasselbe, was du hassest: die Nacht; ich liebe die Menschen, weil sie Lichtjünger sind und freue mich des Leuchtens, das in ihrem Auge ist, wenn sie erkennen und entdecken, die unermüdlichen Erkenner und Entdecker. Jener Schatten, welchen alle Dinge zeigen, wenn der Sonnenschein der Erkenntnis auf sie fällt – jener Schatten bin ich auch.“
Lucas Gehrmann