Westfälischer Kunstverein

You Don’t Love Me Anymore

26 Mar - 22 May 2011

YOU DON’T LOVE ME ANYMORE
Kuratorin: Katja Schroeder
26. März 2011 - 22. Mai 2011

Jennifer Bornstein (USA), Ida Ekblad (NO), Marius Engh (NO), Petrit Halilaj (D/I/Kosovo), Oliver Laric (A), Eileen Maxson (USA/NL), Mandla Reuter (D), Nina Rhode (D), Katharina Schücke (D)

Die Wirklichkeit ist in Wahrheit nie das, was wir von ihr erwarten, sehen, wissen oder verlangen. Das alltägliche Leben ist gekennzeichnet von Missverständnissen, Fehlern, Unverhältnismäßigkeiten und Kompromissen. Dennoch ist der Mensch mit seiner tiefen Sehnsucht nach Perfektion in der Lage, das Nicht-Passende mit mehr oder weniger großer Anstrengung zu kompensieren. Die Ausstellung stellt neun internationale Künstlerinnen und Künstler vor, die sich mit Humor, Nostalgie und der gezielten Verkehrung von Funktionen diese Kompensationsleistung zur Methode machen.

Wie in einer akrobatischen Slapstick-Pantomime geht es bei der Ausstellung um das konstruktive Moment des Scheiterns, aus dem Unerwartetes, Groteskes und Neues entsteht. So kann aus dem Missverhältnis von Form und Inhalt eine eigenwillige und beharrliche Performance entstehen, die von vorauseilender Erwartung und Normerfüllung befreit ist. Die künstlerischen Ansätze unterscheiden sich sowohl in ihrem Inhalt als auch in ihrer Form, kreisen aber alle im weitesten Sinne um Fragen nach der Verlässlichkeit von Wahrnehmung, der Transformation von Orten und ihrer Bedeutung sowie der Fragilität von Identität und Alltag.

So greift die Amerikanerin Jennifer Bornstein (*1970) ausgehend von der analogen Fotografie in ihren neueren Arbeiten immer wieder das Medium der Kaltnadelradierung auf. Ein an sich überholtes Medium der Reproduktion, das vor allem zur historischen Dokumentation eingesetzt wurde, dient ihr auch für die Arbeit „Phantom Limb“, die in der Ausstellung gezeigt wird. Darin beschäftigt sie sich mit einem phsychologisch-optischen Trick, der zur Heilung von Phantomscherzen verlorener Gliedmaßen eingesetzt wird. Durch eine optische Täuschung wird das Gehirn überlistet und von seinen Schmerzen befreit. Die Radierungen der Apparatur werden von einem 16mm Film begleitet, der an Arbeiten von László Moholy-Nagy erinnert, welcher ebenfalls mit analoger Filmtechnik Anfang des 20. Jahrhunderts die Wahrnehmung in einem magischen Verwirrspiel auf die Probe stellte.

Im Gegensatz dazu beschäftigt sich Oliver Laric (*1981) mit den Reproduktionsmöglichkeiten und unendlichen Variationen der immergleichen Alltagsbilder. Seine Annahme ist, dass die Idee vom Original durch kulturelle und technologische Veränderungen heute eine völlig neue Bedeutung angenommen hat. So sammelte er für seine Arbeit „Variations“ unzählige Bilder aus dem Internet, die alle vielfach kopiert und reinterpretiert wurden, um daraus einen atemlosen Bilder-Loop zu kreieren, der in der Ausstellung zu sehen sein wird.

Eine sehr viel erzählerische Position stellt hingegen der aus dem Kosovo stammende Künstler Petrit Halilaj (*1986) dar. Zuletzt fiel er durch seine zentrale Installation auf der Berlin Biennale 2010 auf, für die er das Rohbaugerüst vom Wiederaufbau seines Elternhauses aus dem Kosovo in den Kunstwerken in Berlin-Mitte rekonstruierte. In Münster werden eine Skulptur sowie Zeichnungen aus der Reihe „They are Lucky to be Bourgeois Hens“ zu sehen sein, in der Hühner und verschiedene Formen von Nestern eine wesentliche Rolle spielen. Die Metapher des glücklichen „bourgeoisen“ Huhns ist auf vielfältige Weise zu lesen. Zum einen geht es ohne Zweifel um das Bedürfnis sich eine Behausung oder Unterkunft zu bauen, und seien die Mittel noch so einfach. Aber auch das vage Gefühl, mit der eigenen Identität nicht den richtigen Ort gefunden zu haben, oder nur behelfsweise angekommen zu sein, ist als latenter Unterton herauszulesen.

Einen spielerischen Ansatz, der sich ähnlich wie bei Jennifer Bornstein mit Phänomenen der Wahrnehmung beschäftigt, vertritt die in Berlin lebende Künstlerin Nina Rhode (*1971). Sie fertigt aus oft gefundenen Materialien absurde und kinetische Objekte an, die im weitesten Sinne als optisch-musikalische Instrumente zu verstehen sind. In letzter Zeit entstand eine Reihe von einfachen mechanischen Drehscheiben, die entweder manuell zu bewegen sind, oder mit einem Motor versehen sowohl Farben, grafische Formen oder Sound in Schwingung versetzen. Neben zwei dieser Scheiben werden ein Videofilm sowie Fotografien der Künstlerin in der Ausstellung präsentiert.
 

Tags: Jennifer Bornstein, Ida Ekblad, Marius Engh, Petrit Halilaj, Oliver Laric, Laszlo Moholy-Nagy, Mandla Reuter, Nina Rhode, Katharina Schücke