Rom – Offene Malerei. Das Materialbild im Italien der 1950er und 1960er Jahre
05 Apr - 28 Aug 2008
Rotture, 1960
Holz und Farbe, 300 x 119 x 4 cm
Museo di Arte Moderna e Contemporanea di Trento e Rovereto, Fondazione VAF / Kunstmuseum Stuttgart
© Volker W. Feierabend, Foto: Archiv VAF-Stiftung/MART
der 19. Europäischen Kulturtage Karlsruhe 2008
Eröffnung Fr 04.04. um 18 Uhr im ZKM_Foyer
Im Gefolge der »Materialkultur« der Konstruktivisten und des »Polymaterialismus« der Futuristen hat sich bereits in den 1920er-Jahren eine Bild- und Malerei-Konzeption entwickelt, die auf Ölfarbe und Leinwand verzichtete. In den 1950er-Jahren setzte dann in Italien die künstlerische Auflösung und Zerstörung des Tafelbildes ein. Man ging dazu über, eine Trennung von Tafel und Bild vorzunehmen, eine Entwicklung, die für die Kunstgeschichte weitreichende Folgen hatte. Einige Künstler – von Alberto Burri bis Lucio Fontana – verfolgten den Weg der Abstraktion nicht weiter. Sie setzten sich damit von allgemeinen Tendenzen, wie sie beispielsweise im New Yorker Abstrakten Expressionismus der 1950er-Jahre herrschten, ab. Nicht nur der Abbildung der gegenständlichen Welt verweigerte man sich, sondern auch den Mitteln der Malerei: Öl und Leinwand. Die italienischen Avantgardekünstler durchschlitzten und durchlöcherten die Leinwand. Man wölbte sie in den Raum, presste, schichtete oder dehnte sie aus. Auf diesen Arbeiten gibt es keine Bilder mehr, sondern nur die Leinwand selbst. Diese Vorlage nutzend wurde von anderen Künstlern wie Giuseppe Uncini, Agenore Fabbri oder Paolo Scheggi die Leinwand selbst ausgetauscht durch Plastikfolien, Holz, Metall, Marmor oder Beton. Von Farbe und Bild vollzog man den Schritt hin zu Materialtafeln. Dieser Rückzug auf das Material war nicht nur ein radikaler und früher »Nullpunkt« der Malerei, sondern auch der Beginn der Materialkunst, die den Weg frei machte, die Leinwand mit kunstfremden Materialien und Gegenständen zu besetzen, wie es in der Folge Nouveau Réalisme und die Pop-Art in den 1960er-Jahren taten. Robert Rauschenberg (siehe seine »Combine Paintings«) und andere, die als Stipendiaten im Rom der 1950er-Jahre gelebt hatten, nahmen die Impulse auf und transportierten sie nach Amerika.
Die Mehrzahl der ausgestellten Arbeiten kommt aus der Sammlung der VAF-Stiftung, der bedeutendsten Sammlung der italienischen Moderne und Partner des ZKM | Museum für Neue Kunst. Weitere Arbeiten aus öffentlichen Museen und Privatsammlungen erweitern das Spektrum der gezeigten Werke.
Kuratiert von Peter Weibel.
Projektleitung: Andreas F. Beitin.
In einem Begleitprogramm werden Filme zum Thema Rom der 1950er-Jahre gezeigt: u.a. Roberto Rossellini »Rom – offene Stadt«, Federico Fellini »La dolce vita«, Pier Paolo Pasolini »Accattone – Wer nie sein Brot mit Tränen aß«.
Zur Ausstellung erscheint im Juni ein Bild- und Materialband (ca. 300 S., 150 Abb.), herausgegeben von Peter Weibel, mit Texten von Peter Weibel und Klaus Wolbert sowie zahlreichen Quellentexten und Biografien.
Führungen: Sa 14 Uhr
KünstlerInnen in der Ausstellung
Getulio Alviani, Giovanni Anceschi. Enrico Baj, Franco Bemporad, Remo Bianco, Alberto Biasi, Agostino Bonalumi, Davide Boriani, Alberto Burri, Arturo Carmassi, Nicola Carrino, Enrico Castellani, Ettore Colla, Gianni Colombo, Roberto Crippa, Dadamaino, Gabriele de Vecchi, Lucio del Pezzo, Agenore Fabbri, Lucio Fontana, Pinot Gallizio, Edoardo Landi, Ugo La Pietra, Francesco Lo Savio, Edgardo Mannucci, Piero Manzoni, Enzo Mari, Gino Marotta, Sandro Martini, Manfredo Massironi, Fabio Mauri, Mattia Moreni, Ennio Morlotti, Pierluca, Enrico Prampolini, Andrea Raccagni, Mimmo Rotella, Angelo Savelli, Salvatore Scarpitta, Paolo Scheggi, Giuseppe Spagnulo, Giuseppe Uncini, Grazia Varisco
Eine Ausstellung im Rahmen der 19. Europäischen Kulturtage Karlsruhe 2008