Suchroutinen: Erzählungen von Datenbanken
04 Oct - 02 Nov 2014
SUCHROUTINEN: ERZÄHLUNGEN VON DATENBANKEN
4 October – 2 November 2014
Kuratiert von Lena Brüggemann und Hannah Sieben
Künstler_innen: Francis Hunger, Kernel, Pil and Galia Kollectiv, Sebastian Schmieg, Jonas Lund und Johannes P Osterhoff
Aktenschränke, die eine Fläche größer als die Europas bedecken – das wäre die Masse der Daten, die die NSA gesammelt hat, wenn sie zu Papier gebracht würden. Dieses Bild lässt die Ausmaße der Enthüllungen von Edward Snowden sichtbar und begreifbar werden. Der Aufschrei der Öffentlichkeit hielt sich in Grenzen, und der Großteil der Menschen hat am eigenen Umgang mit Daten nichts geändert. Denn Daten und ihre Verwaltungs- und Verwertungsstrukturen sind zumeist unsichtbar für uns, ihre Auswirkungen auf unser Leben werden kaum wahrgenommen, sie sind nicht greifbar.
Datenbanken durchdringen jedoch unseren Alltag mehr und mehr, sie sind an den elementarsten Handlungen der Menschen beteiligt. Durch ihre weitgehende Unsichtbarkeit und Unerzählbarkeit sind sie subtile Formen kollektiver Lenkung und Normalisierung. Gleichzeitig gibt es in den Sozial-, Kulturwissenschaften und der Kunst bisher nur wenig Diskussion darüber, was eine Datenbank als Form ausmacht.
Das Projekt »Suchroutinen: Erzählungen von Datenbanken« besteht aus einer Ausstellung, einem interdisziplinären Symposium und einem von Heath Bunting und WaiWai geleiteten Workshop. Die Ausstellung wirft einen Blick hinter die Benutzeroberflächen und versucht ein Bewusstsein für die gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Dimensionen von Datenbanken zu erzeugen. Die künstlerischen Positionen begegnen der Unsichtbarkeit der Datenbanken mit Strategien der Narration und der Übersetzung von Daten und Algorithmen in sichtbare (Kunst-)artefakte.
Die aktuellen Recherchen von Francis Hunger drehen sich um die Geschichte und Entwicklung von Datenbanken und deren Ineinandergreifen mit den Biopolitiken des Post-Fordismus. In Deep Love Algorithm (2013) geht er dieser Fragestellung mittels einer Geschichte unerfüllter Liebe nach. Jan, ein Journalist ausgestattet mit einem überraschend gut bezahlten Rechercheauftrag, lädt Margret ein, ihn auf dieser Reise zu begleiten. Sie führt durch Orte die lose mit der »Erfindung« der Datenbank verknüpft sind.
»Mirrors (Scale 021, 027, 028)« (Courtesy V22 Collection) des Kunstkollektivs KERNEL ist eine skulpturale Installation die als Host für ein wachsendes Netz von Webservern agiert. Als minimales Datencenter und temporäre Cloud agiert die Installation immer dann wenn sie ausgestellt ist, und kann über die Webseite http://mirrors.kerneloperations.com besucht werden. Damit verbindet sie den lokalen Ausstellungsraum mit den global verstreuten Nutzern der Server. Für die Ausstellung im D21 Kunstraum werden KERNEL auf den Server ihre Recherchen und Koordinaten von infrastrukturellen Markern der »New Silk Road« hochladen – ein von ihnen vorgeschlagener Name für die Machtverschiebungen zwischen Ost und West durch eine Reihe weltweiter logistischer und ökonomischer Operationen.
Pil and Galia Kollectiv konstruieren in der Videoarbeit »Co-Operative Explanatory Capabilities in Organizational Design and Personnel Management« auf der Basis eines Online-Bildarchivs, das den Aufbau und die Geschichte eines frühen Computerunternehmens dokumentiert, eine fiktive Erzählung über die Steigerung der Produktivität von Arbeiter_innen. Untersucht werden dabei die Räume, Strukturen und Biopolitiken des Effizienzmanagements sowie die Funktion bürokratischer Systeme in einem postindustriellen Arbeitsumfeld.
Sebastian Schmieg und Jonas Lund zeigen mit »Other People Also Bought« einen Algorithmus. Beginnend mit der Eingabe des ersten überhaupt bei Amazon verkauften Produkts, Douglas Hofstadters Buch »Fluid Concepts & Creative Analogies: Computer Models of the Fundamental Mechanisms of Thought« zu einem Amazon-Warenkorb beginnt ein Skript seine Arbeit. Es fügt automatisch und ad infinitum den jeweils nächsten empfohlenen Artikel aus der Liste »Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch ...« zum Warenkorb hinzu.
Mit »10 kg From the New Factory« zeigen Sebastian Schmieg und Johannes P Osterhoff die materielle Basis von Datenzentren in Form von geschredderten Festplatten aus dem Google-Datenzentrum in Saint-Ghislain, Belgien. Die Festplatten sind die grundlegenden Elemente, die für unsere moderne Kommunikation und die Organisation von Wissen verwendet werden. In ihrem zerlegten und dysfunktionalen Zustand bleiben sie mit Bedeutung aufgeladen und bieten nicht nur einen Blick hinter die glänzende Schnittstellenschicht der Google-Anwendungen, sondern auch auf den Standort des digitalen Lebens.
Am Samstag, den 25 Oktober und Sonntag den 26. Oktober findet im sublab ein Symposium statt, das im gemeinsamen Gespräch der Künstler_innen, Vortragenden und Teilnehmenden die in der Ausstellung angestossene Auseinandersetzung mit Datenbanken in der Kunst, der Medientheorie und der Informatik verknüpft. Das Symposium wird mit einem Workshop und Vorträgen von WaiWai und Heath Bunting, beide Mitglieder des Net.art-Kollektivs Irational.org eingeleitet.
Der Eintritt zur Ausstellung sowie dem Symposium ist frei.
4 October – 2 November 2014
Kuratiert von Lena Brüggemann und Hannah Sieben
Künstler_innen: Francis Hunger, Kernel, Pil and Galia Kollectiv, Sebastian Schmieg, Jonas Lund und Johannes P Osterhoff
Aktenschränke, die eine Fläche größer als die Europas bedecken – das wäre die Masse der Daten, die die NSA gesammelt hat, wenn sie zu Papier gebracht würden. Dieses Bild lässt die Ausmaße der Enthüllungen von Edward Snowden sichtbar und begreifbar werden. Der Aufschrei der Öffentlichkeit hielt sich in Grenzen, und der Großteil der Menschen hat am eigenen Umgang mit Daten nichts geändert. Denn Daten und ihre Verwaltungs- und Verwertungsstrukturen sind zumeist unsichtbar für uns, ihre Auswirkungen auf unser Leben werden kaum wahrgenommen, sie sind nicht greifbar.
Datenbanken durchdringen jedoch unseren Alltag mehr und mehr, sie sind an den elementarsten Handlungen der Menschen beteiligt. Durch ihre weitgehende Unsichtbarkeit und Unerzählbarkeit sind sie subtile Formen kollektiver Lenkung und Normalisierung. Gleichzeitig gibt es in den Sozial-, Kulturwissenschaften und der Kunst bisher nur wenig Diskussion darüber, was eine Datenbank als Form ausmacht.
Das Projekt »Suchroutinen: Erzählungen von Datenbanken« besteht aus einer Ausstellung, einem interdisziplinären Symposium und einem von Heath Bunting und WaiWai geleiteten Workshop. Die Ausstellung wirft einen Blick hinter die Benutzeroberflächen und versucht ein Bewusstsein für die gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Dimensionen von Datenbanken zu erzeugen. Die künstlerischen Positionen begegnen der Unsichtbarkeit der Datenbanken mit Strategien der Narration und der Übersetzung von Daten und Algorithmen in sichtbare (Kunst-)artefakte.
Die aktuellen Recherchen von Francis Hunger drehen sich um die Geschichte und Entwicklung von Datenbanken und deren Ineinandergreifen mit den Biopolitiken des Post-Fordismus. In Deep Love Algorithm (2013) geht er dieser Fragestellung mittels einer Geschichte unerfüllter Liebe nach. Jan, ein Journalist ausgestattet mit einem überraschend gut bezahlten Rechercheauftrag, lädt Margret ein, ihn auf dieser Reise zu begleiten. Sie führt durch Orte die lose mit der »Erfindung« der Datenbank verknüpft sind.
»Mirrors (Scale 021, 027, 028)« (Courtesy V22 Collection) des Kunstkollektivs KERNEL ist eine skulpturale Installation die als Host für ein wachsendes Netz von Webservern agiert. Als minimales Datencenter und temporäre Cloud agiert die Installation immer dann wenn sie ausgestellt ist, und kann über die Webseite http://mirrors.kerneloperations.com besucht werden. Damit verbindet sie den lokalen Ausstellungsraum mit den global verstreuten Nutzern der Server. Für die Ausstellung im D21 Kunstraum werden KERNEL auf den Server ihre Recherchen und Koordinaten von infrastrukturellen Markern der »New Silk Road« hochladen – ein von ihnen vorgeschlagener Name für die Machtverschiebungen zwischen Ost und West durch eine Reihe weltweiter logistischer und ökonomischer Operationen.
Pil and Galia Kollectiv konstruieren in der Videoarbeit »Co-Operative Explanatory Capabilities in Organizational Design and Personnel Management« auf der Basis eines Online-Bildarchivs, das den Aufbau und die Geschichte eines frühen Computerunternehmens dokumentiert, eine fiktive Erzählung über die Steigerung der Produktivität von Arbeiter_innen. Untersucht werden dabei die Räume, Strukturen und Biopolitiken des Effizienzmanagements sowie die Funktion bürokratischer Systeme in einem postindustriellen Arbeitsumfeld.
Sebastian Schmieg und Jonas Lund zeigen mit »Other People Also Bought« einen Algorithmus. Beginnend mit der Eingabe des ersten überhaupt bei Amazon verkauften Produkts, Douglas Hofstadters Buch »Fluid Concepts & Creative Analogies: Computer Models of the Fundamental Mechanisms of Thought« zu einem Amazon-Warenkorb beginnt ein Skript seine Arbeit. Es fügt automatisch und ad infinitum den jeweils nächsten empfohlenen Artikel aus der Liste »Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch ...« zum Warenkorb hinzu.
Mit »10 kg From the New Factory« zeigen Sebastian Schmieg und Johannes P Osterhoff die materielle Basis von Datenzentren in Form von geschredderten Festplatten aus dem Google-Datenzentrum in Saint-Ghislain, Belgien. Die Festplatten sind die grundlegenden Elemente, die für unsere moderne Kommunikation und die Organisation von Wissen verwendet werden. In ihrem zerlegten und dysfunktionalen Zustand bleiben sie mit Bedeutung aufgeladen und bieten nicht nur einen Blick hinter die glänzende Schnittstellenschicht der Google-Anwendungen, sondern auch auf den Standort des digitalen Lebens.
Am Samstag, den 25 Oktober und Sonntag den 26. Oktober findet im sublab ein Symposium statt, das im gemeinsamen Gespräch der Künstler_innen, Vortragenden und Teilnehmenden die in der Ausstellung angestossene Auseinandersetzung mit Datenbanken in der Kunst, der Medientheorie und der Informatik verknüpft. Das Symposium wird mit einem Workshop und Vorträgen von WaiWai und Heath Bunting, beide Mitglieder des Net.art-Kollektivs Irational.org eingeleitet.
Der Eintritt zur Ausstellung sowie dem Symposium ist frei.