Thomas Helbig | Morgenröthe
17 Jan - 28 Feb 2015
Heliopolis, 2014, mixed media on black cotton, 190 x 180 cm
Image courtesy Galerie Guido W. Baudach, Berlin
Image courtesy Galerie Guido W. Baudach, Berlin
Thomas Helbig
Morgenröthe
17. Januar – 28. Februar 2015
Eröffnung: Samstag, 17. Januar 2015, 18 Uhr
„Wie können die klassischen Medien Zeichnung und Malerei heute noch als zeitgemäße künstlerische Praxis betrieben werden?“, fragt Thomas Helbig und macht mit seinen Bildern gleichzeitig einen konkreten Vorschlag im visuellen Alles und Nichts unserer Gegenwart.
Die Gemälde verkörpern die Frage nach Darstellung und Repräsentation selbst; mit Überlagerungen, Dopplungen und Oppositionen. Das beginnt schon beim Bildgrund. Die Oberfläche der dunklen Bühnenstoffe, die Helbig als Malgrund verwendet, schluckt das Licht, anstatt es zu reflektieren. Damit kehrt Helbig die Malerei um. Die Materialität wird beinahe unsichtbar; ein scheinbar unendlicher Raum öffnet sich. Auch die als Zeichen für malerisch-künstlerische Gesten lesbaren Schnörkel und Linien sind nicht additiv mit Farbe aufgetragen, sondern gebleicht. Sie subtrahieren die Farbe des Stoffs, befreien also in gewisser Weise das Licht und bilden eine immaterielle Faktur.
Mit abgestuften Verschiebungen und Durchdringungen von Formen rekurriert Helbig auf unterschiedliche Qualitäten von Präsenz und Absenz, von Original und Kopie. So erscheinen die beiden zentralen sich überlagernden Formen in Heliopolis im oberen Bereich als Spiegelung eines einzigen Objekts, im unteren Bereich hingegen als Widerschein oder Schatten. In Hyperion wiederum scheinen von körperlosen Wesen kettenähnliche Gebilde herabzuhängen, wobei ihre Planparallelität zur Leinwand den vorangegangenen Moment ihres Aufliegens auf derselben verrät. Der Bildraum schließt sich und wird zur Fläche. Darauf sind die kettenhaften Formen ebenso wie bisweilen hinzutretende kosmische Motive sowohl in ihrer negativen wie positiven Gestalt präsent als Farbabdruck und als Leerstelle im aufgesprühten Farbnebel.
In seinen Arbeiten auf Papier greift Helbig auf das Medium der Fotokopie, an welchem er Einzeichnungen und ‚Radierungen’ vornimmt, zurück. Dabei berührt er einen Diskurs, der die Fotografie seit Henry Fox Talbots The Pencil of Nature (1844-1846) und davon ausgehend die Druckgrafik bis zur Pop-Art und ihren zeitgenössischen Adepten beschäftigt. Im Licht- und Schattenraum der Fotokopie präsentiert Helbig trompe l’oeil-artig ein an den Rändern perforiertes und gewelltes Blatt Papier. Mal wird es von den Händen des Künstlers gehalten wie eine „Veronika“, mal liegt oder steht es – je nach Perspektive des Betrachters – frei im enggefassten umgebenden Bildraum. Auf dem Papier – dem Bild im Bild – sind farbig Pflanzen gezeichnet. Demonstriert wird: hier ist ein Bild! Doch wie bei einem Zaubertrick mit theatralischer Gestik und viel Brimborium vom eigentlichen Geschehen abgelenkt wird, bestimmen hier Täuschungen die Wahrnehmung. Beständig verschieben sich die Bildebenen. Die Kopie an sich zeigt ein Blatt, das leer ist und nichts zeigt. Erst mit der Einzeichnung wird das Reproduktionsmedium dann selbst zum Bildträger. So ergibt sich im innovativen Spannungsfeld von reproduzierendem Lichtbild und materieller Zeichnung auch eine wohlvertraute Lesart: die illusionistische Darstellung einer Ateliersituation, in der die zu zeichnenden Naturobjekte auf dem Blatt des Künstlers liegen, ihr Staub sich im Raum verteilt und sich als Spur auf dem Papier verewigt.
Helbig eröffnet Ebenen von Evidenz und Ahnung, von Zeichen und Bezeichnetem, von Spur und Präsenz, realer wie scheinbarer. In der wie ein Signum in fast jedem von Helbigs Bildern auftauchenden geschwungenen Linie findet alles zusammen: die künstlerische Geste, das graphische Zeichen, die dekorative Form, die Form der Natur.
Cora Waschke
Morgenröthe
17. Januar – 28. Februar 2015
Eröffnung: Samstag, 17. Januar 2015, 18 Uhr
„Wie können die klassischen Medien Zeichnung und Malerei heute noch als zeitgemäße künstlerische Praxis betrieben werden?“, fragt Thomas Helbig und macht mit seinen Bildern gleichzeitig einen konkreten Vorschlag im visuellen Alles und Nichts unserer Gegenwart.
Die Gemälde verkörpern die Frage nach Darstellung und Repräsentation selbst; mit Überlagerungen, Dopplungen und Oppositionen. Das beginnt schon beim Bildgrund. Die Oberfläche der dunklen Bühnenstoffe, die Helbig als Malgrund verwendet, schluckt das Licht, anstatt es zu reflektieren. Damit kehrt Helbig die Malerei um. Die Materialität wird beinahe unsichtbar; ein scheinbar unendlicher Raum öffnet sich. Auch die als Zeichen für malerisch-künstlerische Gesten lesbaren Schnörkel und Linien sind nicht additiv mit Farbe aufgetragen, sondern gebleicht. Sie subtrahieren die Farbe des Stoffs, befreien also in gewisser Weise das Licht und bilden eine immaterielle Faktur.
Mit abgestuften Verschiebungen und Durchdringungen von Formen rekurriert Helbig auf unterschiedliche Qualitäten von Präsenz und Absenz, von Original und Kopie. So erscheinen die beiden zentralen sich überlagernden Formen in Heliopolis im oberen Bereich als Spiegelung eines einzigen Objekts, im unteren Bereich hingegen als Widerschein oder Schatten. In Hyperion wiederum scheinen von körperlosen Wesen kettenähnliche Gebilde herabzuhängen, wobei ihre Planparallelität zur Leinwand den vorangegangenen Moment ihres Aufliegens auf derselben verrät. Der Bildraum schließt sich und wird zur Fläche. Darauf sind die kettenhaften Formen ebenso wie bisweilen hinzutretende kosmische Motive sowohl in ihrer negativen wie positiven Gestalt präsent als Farbabdruck und als Leerstelle im aufgesprühten Farbnebel.
In seinen Arbeiten auf Papier greift Helbig auf das Medium der Fotokopie, an welchem er Einzeichnungen und ‚Radierungen’ vornimmt, zurück. Dabei berührt er einen Diskurs, der die Fotografie seit Henry Fox Talbots The Pencil of Nature (1844-1846) und davon ausgehend die Druckgrafik bis zur Pop-Art und ihren zeitgenössischen Adepten beschäftigt. Im Licht- und Schattenraum der Fotokopie präsentiert Helbig trompe l’oeil-artig ein an den Rändern perforiertes und gewelltes Blatt Papier. Mal wird es von den Händen des Künstlers gehalten wie eine „Veronika“, mal liegt oder steht es – je nach Perspektive des Betrachters – frei im enggefassten umgebenden Bildraum. Auf dem Papier – dem Bild im Bild – sind farbig Pflanzen gezeichnet. Demonstriert wird: hier ist ein Bild! Doch wie bei einem Zaubertrick mit theatralischer Gestik und viel Brimborium vom eigentlichen Geschehen abgelenkt wird, bestimmen hier Täuschungen die Wahrnehmung. Beständig verschieben sich die Bildebenen. Die Kopie an sich zeigt ein Blatt, das leer ist und nichts zeigt. Erst mit der Einzeichnung wird das Reproduktionsmedium dann selbst zum Bildträger. So ergibt sich im innovativen Spannungsfeld von reproduzierendem Lichtbild und materieller Zeichnung auch eine wohlvertraute Lesart: die illusionistische Darstellung einer Ateliersituation, in der die zu zeichnenden Naturobjekte auf dem Blatt des Künstlers liegen, ihr Staub sich im Raum verteilt und sich als Spur auf dem Papier verewigt.
Helbig eröffnet Ebenen von Evidenz und Ahnung, von Zeichen und Bezeichnetem, von Spur und Präsenz, realer wie scheinbarer. In der wie ein Signum in fast jedem von Helbigs Bildern auftauchenden geschwungenen Linie findet alles zusammen: die künstlerische Geste, das graphische Zeichen, die dekorative Form, die Form der Natur.
Cora Waschke