Zwischen Formalismus und Freiheit
09 Sep - 01 Oct 2011
ZWISCHEN FORMALISMUS UND FREIHEIT
Florian Baudrexel, Alexander Bornschein, Aleana Egan, Marte Eknæs, Heimo Zobernig
9. September – 1. Oktober 2011
Zwischen Formalismus und Freiheit lautet, weniger als normative Setzung denn als hintergründige Zusammenschau gedacht, der Titel der ersten Ausstellung von Linn Lühn, die nach neun Jahren Galerietätigkeit in Köln nun in neuen Räumlichkeiten in Düsseldorf eröffnet.
Die lange Düsseldorfer Galerie- und Künstlertradition im Umfeld formalistischer Kunstpraktiken bildet den Ausgangspunkt dieser Gruppenausstellung.
Galt Formalismus ursprünglich als „Freiheit“, in dem Sinne, dass man sich zugunsten der Abstraktion von den lange tradierten Darstellungsformen der Mimesis und Figuration emanzipierte, so ist heute durchaus die Frage erlaubt, was Gegenwartskünstler an der damaligen Utopie fasziniert und welche Gültigkeit ihr nun noch zugesprochen werden kann. Das höchste Ziel der Vertreter der Minimal Art in den 1960er Jahren war die Loslösung von jeglichen Referenzen auf die Realwelt und damit auch die Freiheit vom reinen Zweck der Repräsentation und Illusion. Von diesem Ansatz unterscheiden sich die Intentionen der heutigen Künstlergeneration grundlegend – der Verweischarakter soll ihrer Kunst nicht ausgetrieben werden, vielmehr spielen sie mit den Möglichkeiten formalistischer Herangehensweisen derartige Bezüge subtiler zu artikulieren. Ihre Arbeiten funktionieren aufgrund ihrer materialästhetischen Qualitäten sowie den Spuren handwerklicher Bearbeitung und lassen gleichwohl erahnen, dass hier die Form nicht ohne Inhalt präsentiert wird.
Heimo Zobernig (*1958) trickste in den 1980er Jahren den Minimalismus-geschulten Betrachter aus, indem sich in scheinbar perfekt steril gearbeiteten Oberflächen doch noch des Künstlers Handschrift finden ließ und auch die physische Qualität seiner Objekte keineswegs mehr dem „What you see is what you get“-Postulat entsprach. Dennoch stehen seine heutigen Arbeiten einem traditionellen Formalismus am nächsten, wenn er sich stets konsequent einer Betitelung verweigert und explizit eine „nüchterne und transzendenzlose Sicht auf die Welt“ fordert.
Ganz anders gestaltet sich die Arbeitsweise der Irin Aleana Egan (*1979), die alltägliche Beobachtungen, Kindheitserinnerungen und Literatur zum Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Praxis macht. Ihre Arbeiten wirken wesentlich fragiler und suggerieren ein Herantasten an eine skulpturale Form, bestimmte psychologische Zustände, Emotionen und Erinnerungen darzustellen.
Erlaubt Egan dem Betrachter ihrer Arbeiten nur Streifblicke auf zugrunde liegende Stimmungen, so torpedieren ihn die Wandreliefs von Florian Baudrexel (*1968) mit voller Wucht. Beide Künstler bedienen sich ähnlicher Materialien, die deutliche Spuren der Bearbeitung aufweisen, und doch könnte die Wirkung ihrer Werke nicht unterschiedlicher ausfallen. Egan eröffnet mit ihren behutsam manipulierten Skulpturen eine poetische Dimension, während Baudrexels herausfordernde Reliefs eine Energie ausstrahlen, die den Betrachter unmittelbar fesselt. Wie Egan experimentiert auch Baudrexel mit Sprache und verleiht seinen Arbeiten durch die Betitelung eine ironische Distanz zum strengen konstruktivistischen Vorbild.
Die Norwegerin Marte Eknæs (*1978) entlarvt in ihren Skulpturen und Collagen die dem urbanen Raum sowie den einzelnen Materialien inhärente Ideologie. Formenvokabular und Design von Firmenrepräsentanzen und öffentlichen Räumen unterliegen stets einer „symbolischen Funktionalität“, die ihre Nutzer manipuliert und ihre Verhaltensweisen beeinflusst. Eknæs setzt sich mit diesen ideologisch aufgeladenen Materialien - oftmals tranparente Materialien wie Plexiglas, Glas oder Folien, welche die Offenheit und Transparenz der Unternehmen betonen soll – auseinander und macht sie sich zu eigen, um die dahinterliegenden Mechanismen einer ökonomisierten Sinnproduktion zu zerlegen und vorzuführen, wie erfolgreich auch der kommerzielle Sektor sich einem minimalistischen und formalistischen Gestus bedient.
Die Siebdrucke von Alexander Bornschein (*1986) sind die einzigen Arbeiten der Ausstellung, die ganz unzweifelhaft ein reales Objekt, den Volksempfänger, abbilden. Und doch stellt sich im Verbund dieser Gruppenausstellung überraschenderweise die Frage, ob dieser Ausbruch aus dem reinen Formalismus den wahren Sinn des Kunstwerks leichter erschließen lässt.
Die Freiheit des Formalismus liegt in der Autonomie der Form, ihrem Potential mit unendlich verschiedenen Bedeutungen individuell aufgeladen werden zu können.
Kristina Szepanski
Florian Baudrexel, Alexander Bornschein, Aleana Egan, Marte Eknæs, Heimo Zobernig
9. September – 1. Oktober 2011
Zwischen Formalismus und Freiheit lautet, weniger als normative Setzung denn als hintergründige Zusammenschau gedacht, der Titel der ersten Ausstellung von Linn Lühn, die nach neun Jahren Galerietätigkeit in Köln nun in neuen Räumlichkeiten in Düsseldorf eröffnet.
Die lange Düsseldorfer Galerie- und Künstlertradition im Umfeld formalistischer Kunstpraktiken bildet den Ausgangspunkt dieser Gruppenausstellung.
Galt Formalismus ursprünglich als „Freiheit“, in dem Sinne, dass man sich zugunsten der Abstraktion von den lange tradierten Darstellungsformen der Mimesis und Figuration emanzipierte, so ist heute durchaus die Frage erlaubt, was Gegenwartskünstler an der damaligen Utopie fasziniert und welche Gültigkeit ihr nun noch zugesprochen werden kann. Das höchste Ziel der Vertreter der Minimal Art in den 1960er Jahren war die Loslösung von jeglichen Referenzen auf die Realwelt und damit auch die Freiheit vom reinen Zweck der Repräsentation und Illusion. Von diesem Ansatz unterscheiden sich die Intentionen der heutigen Künstlergeneration grundlegend – der Verweischarakter soll ihrer Kunst nicht ausgetrieben werden, vielmehr spielen sie mit den Möglichkeiten formalistischer Herangehensweisen derartige Bezüge subtiler zu artikulieren. Ihre Arbeiten funktionieren aufgrund ihrer materialästhetischen Qualitäten sowie den Spuren handwerklicher Bearbeitung und lassen gleichwohl erahnen, dass hier die Form nicht ohne Inhalt präsentiert wird.
Heimo Zobernig (*1958) trickste in den 1980er Jahren den Minimalismus-geschulten Betrachter aus, indem sich in scheinbar perfekt steril gearbeiteten Oberflächen doch noch des Künstlers Handschrift finden ließ und auch die physische Qualität seiner Objekte keineswegs mehr dem „What you see is what you get“-Postulat entsprach. Dennoch stehen seine heutigen Arbeiten einem traditionellen Formalismus am nächsten, wenn er sich stets konsequent einer Betitelung verweigert und explizit eine „nüchterne und transzendenzlose Sicht auf die Welt“ fordert.
Ganz anders gestaltet sich die Arbeitsweise der Irin Aleana Egan (*1979), die alltägliche Beobachtungen, Kindheitserinnerungen und Literatur zum Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Praxis macht. Ihre Arbeiten wirken wesentlich fragiler und suggerieren ein Herantasten an eine skulpturale Form, bestimmte psychologische Zustände, Emotionen und Erinnerungen darzustellen.
Erlaubt Egan dem Betrachter ihrer Arbeiten nur Streifblicke auf zugrunde liegende Stimmungen, so torpedieren ihn die Wandreliefs von Florian Baudrexel (*1968) mit voller Wucht. Beide Künstler bedienen sich ähnlicher Materialien, die deutliche Spuren der Bearbeitung aufweisen, und doch könnte die Wirkung ihrer Werke nicht unterschiedlicher ausfallen. Egan eröffnet mit ihren behutsam manipulierten Skulpturen eine poetische Dimension, während Baudrexels herausfordernde Reliefs eine Energie ausstrahlen, die den Betrachter unmittelbar fesselt. Wie Egan experimentiert auch Baudrexel mit Sprache und verleiht seinen Arbeiten durch die Betitelung eine ironische Distanz zum strengen konstruktivistischen Vorbild.
Die Norwegerin Marte Eknæs (*1978) entlarvt in ihren Skulpturen und Collagen die dem urbanen Raum sowie den einzelnen Materialien inhärente Ideologie. Formenvokabular und Design von Firmenrepräsentanzen und öffentlichen Räumen unterliegen stets einer „symbolischen Funktionalität“, die ihre Nutzer manipuliert und ihre Verhaltensweisen beeinflusst. Eknæs setzt sich mit diesen ideologisch aufgeladenen Materialien - oftmals tranparente Materialien wie Plexiglas, Glas oder Folien, welche die Offenheit und Transparenz der Unternehmen betonen soll – auseinander und macht sie sich zu eigen, um die dahinterliegenden Mechanismen einer ökonomisierten Sinnproduktion zu zerlegen und vorzuführen, wie erfolgreich auch der kommerzielle Sektor sich einem minimalistischen und formalistischen Gestus bedient.
Die Siebdrucke von Alexander Bornschein (*1986) sind die einzigen Arbeiten der Ausstellung, die ganz unzweifelhaft ein reales Objekt, den Volksempfänger, abbilden. Und doch stellt sich im Verbund dieser Gruppenausstellung überraschenderweise die Frage, ob dieser Ausbruch aus dem reinen Formalismus den wahren Sinn des Kunstwerks leichter erschließen lässt.
Die Freiheit des Formalismus liegt in der Autonomie der Form, ihrem Potential mit unendlich verschiedenen Bedeutungen individuell aufgeladen werden zu können.
Kristina Szepanski