Dortmunder Kunstverein

Klaus Fritze

15 Jan - 28 Feb 2010

© Klaus Fritze
KLAUS FRITZE
"Wissenschaft dient der Gesellschaft"

15.01. – 28.02.2010

Der Dortmunder Kunstverein zeigt in seiner ersten Ausstellung im Kulturhauptstadtjahr 2010 unter dem Titel „Wissenschaft dient der Gesellschaft“ den Kölner Biologen und Künstler Klaus Fritze. Seine so genannten Expositionsmaßnahmen sind ein Mischung aus der bildimmanenten Flut der Wirklichkeit und den Ordnungsprinzipien eines Wissenschaftlers, der sammelt, archiviert, sondiert, ordnet und untersucht. Wissenschaftliche Erfahrungen und Objekte aus der Molekularbiologie kombiniert Fritze mit artifiziellen, raumgreifenden Installationen die im Besonderen den Prozess von geordnetem Chaos veranschaulichen.
Thema der Ausstellung ist das Kopieren. Das tierische und pflanzliche Klonen von Zellen, Keimen und Samen, ja sogar Tieren, ist zentraler Bestandteil seiner vielschichtigen medialen Installation. Dabei ist die Faszination der zigfache Vervielfältigung im Alltag ebenso angesprochen, wie die wissenschaftliche Arbeit in Studierstuben, Laboratorien und Feldversuchen. Viele biowissenschaftliche Bilder werden heute dechiffriert und einer neuen Lesart zugeführt. Einen künstlerischen Beitrag dazu leistet der Künstler Klaus Fritze im Dortmunder Kunstverein.

In Laborregalen eingesetzte Fernseher zeigen Videos von der wissenschaftlichen und künstlerischen Arbeit Klaus Fritzes. So wird makroskopisch die chemische Sterilisierung von Grassamen, mit realen Geräuschen von Geräten und zufälligen Stimmen sowie Tönen aus dem Labor, als auch der Aufbau seiner Ausstellung in Riga im Mai 2008 dokumentiert. Im Eingangbereich beginnt unter anderem ein zweireihiges Bildband, das sich aus je 13 x 18 x 1 cm großen Bildobjekten zusammengesetzt. Wissenschaftliche Daten, insbesondere DNS Sequenzen von Kühen, sind mittels Kopiervorgängen vervielfältigt und im folgenden Arbeitsschritt mit Fotos überdruckt und kombiniert wurden. Als Grundlage dienen digital bearbeitete Fotos aus den tagebuchartigen Bildsammlungen des Künstlers, die Personen, Gegenstände, Orte und Rituale darstellen. Durch eine Aneinanderreihung auf mehreren Metern Länge entsteht ein Wissenstransfer, die Codierungen und Analysen der Molekulargenetik mit ausgesuchten Bildern zusammenführt.

Im Hauptausstellungsraum steht eine aus Pappschachteln zusammengesetzte lebensgroße Kuh, die mit Fotokopien kaschiert ist. Die Vorlagen der Kopien stammen aus der Mediensammlung Fritzes und reflektieren über Biotechnik und das „Genetic Engineering von Nutzpflanzen und Haustieren“. Diese von ihm benannte „Xerox-Klonkuh“ – der Begriff leitet sich von der Herstellungsweise ab – steht inmitten einer in vitro Wiese. Diese Wiese besteht aus Serien von Einmachgläsern, in denen unter künstlichen Bedingungen natürliche Pflanzen wachsen, wobei die künstlichen Bedingungen der Natur abgeschaut wurden. Das Nährmedium ist so komponiert, dass es einschließlich Wasser alle Stoffe enthält, die die Pflanzen auch in der Natur zu Wachstum und Entwicklung benötigen.
Die Aufstellung der Klonkuh verweist auf die Vervielfältigung von Hochleistungskühen durch biotechnische Klonierung. Ein Artikel unter vielen veröffentlichten Publikationen - „Dollys Erben“ im Wirtschaftsmagazin Brand eins (03/2008) - konstatiert, dass die erheblichen Anstrengungen der Reproduktions-Forschung zum viel versprechenden Geschäft geworden sind. Wissenschaftler und eine ganze Industrie setzen auf das Kopieren. Mittlerweile können Rinder nicht nur routinemäßig geklont, sondern darüber hinaus auch genetisch manipuliert werden. Aus der Milch von derartig genveränderten Kühen können pharmazeutisch wichtige Proteine (wie Antikörper, Enzyme) gewonnen werden.

Im hinteren Bereich des Hauptausstellungsraumes wird der Besucher mittels bereitgestellter Fachzeitschriften, Textauszügen und Publikationen eingeladen, sich auf eine inhaltliche Ent-deckungsreise zu begeben. Dafür steht ihm eine Auswahl an Literatur zur Verfügung, die über die vielseitigen Facetten von Kunst und Wissenschaft, Labortechniken und Verfahren informiert. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, diese Informationen selbst zu kopieren und damit zu vervielfältigen, ein Kopierer steht dafür bereit!

"Meinen Arbeitsschwerpunkt als Künstler würde ich auf dem Gebiet der künstlerischen Beobachtung, Sammlung, Archivierung, Kategorisierung und experimenteller Erforschung diverser Medienformate einordnen. Dabei spielen ästhetische, transiente, raum- und zeitbezogene Praktiken eine zentrale Rolle und resultieren haptisch in der Errichtung temporärer Laboratorien. Diese weisen das Format von künstlerisch-medialen Rauminstallationen auf und werden -bevorzugt in semiperformativer und interaktiver Weise- im internationalen Ausstellungskontext gezeigt und betrieben. (Molekular-) biologische und politikrelevante Themen, wissenschaftliche Formalismen, Klonierungen, Rekombinationen, Wachstumsprozesse, Akkumulation von Informationen und Objekten, Feldversuche und weitere Themen spielen in meinen Projekten eine zentrale Rolle. Mediale Artefakte versuche ich bevorzugt mit künstlerischen Strategien jedoch auch mit erlernten wissenschaftlichen Methoden gestalterisch und ästhetisch zu strukturieren und bewege mich dabei auf den feinen Grenzen zwischen Chaos und Ordnungen."
(Klaus Fritze, 2007)